ABCDE-Schema: Das kleine Einmaleins für Rettungskräfte

ABCDE-SchemaBremen (rd_de) – Das ABCDE-Schema dient der systematischen, nach Prioritäten geordneten Beurteilung sowie Behandlung von Notfallpatienten. Jeder Mitarbeiter im Rettungsdienst – egal, ob Rettungshelfer, Rettungssanitäter oder Notfallsanitäter – sollte das ABCDE-Schema verinnerlicht haben und es sicher umsetzen können. Es wird sowohl bei internistischen als auch traumatologischen Patienten angewandt.

Trifft der Rettungsdienst-Mitarbeiter an der Einsatzstelle ein, verschafft er sich zunächst einen ersten Eindruck. Er beurteilt im Sinne des Eigenschutzes die Szene, Sicherheit und Situation (SSS), und erst dann widmet er sich der Behandlung des Patienten. Dafür schätzt er diesen als potenziell kritisch oder unkritisch ein. Hierfür registriert der Rettungsdienst-Mitarbeiter, ob und wie der Patient in der Lage ist zu sprechen und welchen Eindruck sowohl dessen Puls als auch Haut machen. Wird hierbei eine Apnoe oder ein Kreislaufstillstand festgestellt, ist mit der Reanimation zu beginnen. Andernfalls geht der Rettungsdienst-Mitarbeiter nach dem ABCDE-Schema vor.

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„Notfall kompakt“ nennt sich eine beliebte und erfolgreiche Serie im Rettungs-Magazin. In ihr werden alle klassischen Notfälle vorgestellt, mit denen sich Rettungskräfte im Einsatz konfrontiert sehen. Die Serie steht auch in elektronischer Version zur Verfügung. So lässt sich „Notfall kompakt“ als preiswertes Nachschlagewerk zum Beispiel auch auf dem Smartphone lesen.

ABCDE-Schema – A wie Airway (Atemweg)

Als erstes hat der Rettungsdienst-Mitarbeiter sicherzustellen, dass der Atemweg des Patienten frei ist. Obstruktionen können für den Betroffenen eine Hypoxie mit Schäden unter anderem des Gehirns zur Folge haben. Der Atemweg kann mit einfachsten Hilfsmitteln freigemacht werden, beispielsweise mittels Esmarch-Handgriff, Wendl- oder Guedel-Tubus. Falls erforderlich, wird im Zuge der Überprüfung der Atemwege auch die Halswirbelsäule des Patienten stabilisiert.

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ABCDE-Schema – B wie Breathing (Atmung)

Der Rettungsdienst-Mitarbeiter hat an dieser Stelle diverse Aspekte „seines“ Patienten zu überprüfen:

•    Atemfrequenz?
•    Atemgeräusche (unter anderem Auskultation des Thorax)?
•    Atemhilfsmuskulatur aktiv?
•    Atemrhythmus?
•    Deformierung der Brustwand?
•    Halsvenen gestaut?
•    Hämatome?
•    Hautemphysem?
•    paradoxe Atmung?
•    Prellmarken?
•    Schwitzen?
•    Zyanose?

ABCDE-Schema – C wie Circulation (Kreislauf)

Bei Punkt C muss der Kreislauf des Patienten überprüft werden. Erste Maßnahme ist hierbei das Ertasten des Pulses, üblicherweise am Handgelenk des Betroffenen (Radialispuls). Der Rettungsdienst-Mitarbeiter ermittelt dabei die Frequenz und Qualität sowie den Rhythmus des Pulses. Zugleich prüft er Farbe (blass?), Temperatur (erhöht?), Feuchtigkeit (Schwitzen?) und Rekapillarisierungszeit (2 Sekunden) der Haut des Patienten.

Im Anschluss wird nach eventuellen äußeren Blutungen gesucht. Sollten massive äußere Blutungen vorliegen, wird nach dem C-ABCDE-Schema verfahren. Das heißt, zunächst muss die Blutung kontrolliert werden (Kompression, Tourniquets), ehe die anderen Schritte des ABCDE-Schemas abgearbeitet werden.

Liegen Zeichen einer Kreislaufzentralisation vor, sollte eine Vollelektrolytlösung (zum Beispiel Ringer Acetat) angelegt werden. Während die Messung des Blutdrucks bei Punkt C im Falle eines internistischen Patienten dazugehört, entfällt sie bei traumatisierten Patienten.

ABCDE-Schema – D wie Disability (neurologischer Zustand)

Der neurologische Zustand eines Notfallpatienten wird anhand des Glasgow Coma Scale und/oder des AVUP-Schemas ermittelt. Ergänzt werden die Ergebnisse durch eine Kontrolle der Pupillen (Größe, Seitengleichheit, Reaktionszeit bei Lichteinfall) sowie des Blutzuckers. Dadurch können Hinweise auf eventuelle Schädigungen des Zentralen Nervensystems bzw. Intoxikationen gewonnen werden.

ABCDE-Schema – E wie Exposure/Environment (Patienten entkleiden)

Traumapatienten müssen immer entkleidet werden, um eventuelle Verletzungen nicht zu übersehen. Bei internistischen Patienten kann die Untersuchung des entkleideten Körpers hilfreich sein, um zum Beispiel Drainagen, implantierte Schrittmacher oder Schmerzpflaster zu finden. Dabei immer darauf achten, dass der Patient nicht auskühlt (Rettungswagen aufheizen; Rettungsdecke auflegen).

Was nach dem ABCDE-Schema folgt

Sofern die Zeit vorhanden ist, schließt sich dem ABCDE-Schema eine zweite, gründlichere Untersuchung an. Sie wird SAMPLER-Anamnese genannt und umfasst unter anderem Kriterien wie Symptome, Allergien, Medikamente, Anamnese, letzte Mahlzeit, Ereignis kurz vor dem Notfall und Risikofaktoren.

(Text: Lars Schmitz-Eggen, Rettungsassistent, Chefredakteur Rettungs-Magazin; Symbolfoto: Markus Brändli; zuletzt aktualisiert: 04.11.2019) [3147]

Kommentare zu diesem Artikel

  1. Es is immer gut zu wissen wie das ABCDE Schema funktioniert.

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  2. ABCDE Schema ist Alphabet

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  3. Um Gottes Willen, was haben wir nur “früher” ohne dieses ABCDE-Schema gemacht!? Bei uns sind die Patienten bestimmt reihenweise gestorben, weil wir uns nicht an diesen 5 Buchstaben festklammern konnten…
    Kommt mal wieder runter Leute und traut Rettungsdienstlern auch ein wenig eigenständiges Denken zu!!! Es ist schlimm zu sehen wie in den letzten Jahren alles in Algorithmen, Checklisten und Standardeinsatzregeln gepackt wird, nur damit Vorgesetzte ihre Hände in Unschuld waschen können, wenn mal etwas nicht so gelaufen ist wie es sollte. Ich sage nur: back to the roots

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  4. Dem ist wirklich nichts mehr hinzuzufügen 🙂 Genau so ist es. Das was man frühre selbstverständlich gemacht hat, wird heut in Algorhytmen gepresst.

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  5. DANKE, das ist echt ein effektiver guter und klarer Text

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  6. Genau, immer den Verstand einschalten – soll auch funktionieren
    🙂

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  7. Da geht es auch nur darum, dass man sich das leichter merken kann und Struktur in die Sache gemacht werden kann. Damit auch nichts vergessen wird. Damit ist nicht gemeint, dass man das auf jeden Fall anwenden muss. 😉

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  8. Wenn man nach dem ABCDE Schema geht heißt das doch nicht das man nicht eigenständig denken kann
    Aber dieses Verfahren kann viel wichtiger sein als man denkt
    Denn bei mir als Einsatzersthelfer der Bundeswehr würde man ohne das Verfahren auf dem Feld zu Grunde gehen

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  9. Sie haben es nicht verstanden worum es geht. Schade.

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  10. Ich komm aus der Elektrotechnik und da ist Standardisieren eine wunderbare Sache, wenn nur alle mitmachen würden. Und ganz ehrlich diese ABC Regel ist in 5 Minuten zu erlernen. Wem das zu viel Arbeit ist um Funksprüche untereinander schneller und optimaler zu gestalten…ja dann weiß ichs au net!

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  11. Niemand sagt das wir früher schlecht gearbeitet haben. Eine Struktur in die Arbeit einzubinden schafft nur Vorteile.
    1. Man hat eine Schema das einmal alle wichtigen Sachen abdeckt. Man kann theoretisch nichts vergessen.
    2. Durch eine regelmäßige Anwendung beschleunigt man viele Arbeitsschritte enorm, gerade die Arbeit in einem Team gewinnt an Effizienz und Geschwindigkeit.
    3. Wenn das System von allen verwendet wird muss sich ein Team nicht erst zusammenfinden und jeden Fahrer und Beifahrer jedes mal neu Lernen!

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  12. Einheitliche Kommunikation!
    Wenn ein RD mir ein Patient im Notfall anmeldet mit „Pat ist ABC stabil“, dann weiss ich damit extrem viel! Das spart uns auch sehr viel Zeit beim Telefonieren und später beim Rapport. Alle wissen wovon die Rede ist! Es gibt einiges an Telefonaten zwischen RD, Notfall, Triage, Ärzten und Pflege! Von dem her ein sehr gutes System!

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  13. Genau… und wenn das Pulsoxy defekt ist, dann kann man nicht mehr einsatzklar…. wie wärs, wenn man mal einen genauen Blick auf den Patienten wirft, anstatt immer nur zu überlegen, ob man jetzt auch wirklich alle Algorithmen und Vorgaben im Gedächtnis durchgegangen ist…

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  14. Vor kurzem hatte ich eine Anmeldung vom RD: Pat. mit O Sättigung 62%, später hat sich herausgestellt-die Finger waren zu kalt! Fehlmessung! Wir verlassen uns zu sehr auf Algorithmen und Leitlinien, die ersetzen tatsächlich leider den Verstand und medizinischen Blick!

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  15. Ich finde aus vielen hier genannten Gründen diesen und auch die anderen Algorhytmen durchaus hilfreich. Sie sollen ja auch kein Ersatz für das eigene Denken sein, sondern grundlegende Abläufe vereinfachen. Gerade ein erfahrener RD-Mitarbeiter hinterfragt doch seine Ergebnisse und schließt daraus aufgrund von Wissen mögliche Fehlurteile aus. Also beides adäquat nutzen, Schema und Hirn, das macht vieles leichter und schneller… Grins

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  16. Das ABCDE Schema ist in der internationalen Notfallmedizin als Standard eingeführt worden um “eine Sprache” zu sprechen. Es macht schon Sinn. Der Patient wird auch im Krankenhaus mit diesem Schema vorgestellt und jeder kennt sich dann auch gleich aus.

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  17. sehr unprofessionelle Antwort.

    durch qualifizierte Schemata ist es für die nachfolgende Crew, einfacher und sicherer ins geschehen einzusteigen.
    wir vergessen weniger
    es gibt eine Rechtssicherheit durch einen Algorithmus
    ich ache den job auch schon 25 jähre und es ist einfacher so

    back to the roots ????? alleine fahre, rückspiegelrettung und wenn arm runter – Patient Tod ??????
    peinlich ihr text

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  18. Dem kann ich nur zustimmen. Wobei von entscheidender Bedeutung sicherlich auch ausreichend Berufserfahrung und Einsätze sind. Erst dann kann man mit “einem Blick” bereits eine vitale Bedrohung und ihren (möglichen) Ursprung erfassen. Ansonsten sind Neulinge auf diesem Gebiet sicherlich schnell überfordert. Diese Algorithmen, Checklisten etc. sollte man eher als Unterstützung (strukturieres Vorgehen) ansehen, aber auch um sich haftungsrechtl. abzusichern. Alles hat seine Berechtigung wenn es letztlich der besseren und schnelleren Versorgung des Patienten dient.

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  19. Dafür sind diese Schemata ja auch da um sich hinter ihnen zu „klammern“, im Rettungsdienst stehst du als Helfer immer mit einem Fuß im Gefängnis wenn etwas schief läuft. Und wenn du dich an das Schemata nicht hältst dann erst recht. Dieses Schemata hilft es dir doch vor Gericht einigermaßen gut zu rechtfertigen oder gar dir den arsch zu retten

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  20. Ja es ersetzt nichts den gesunden Menschenverstand. Wir haben bedarfsgerecht und überlegt gearbeitet.

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  21. Zu Nummer 14 Da wäre es hilfreich zu wissen der richtige Umgang mit dem pulsoxi ! Das glaube ich lernt man bei der Einweisung von pulsoxi . Zur Info es funktioniert auch nicht bei Patienten mit Kohlenmonoxid Vergiftung. Da zeigt er zu hohe Werte an. Und es macht son das abcde.

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  22. Was für komische Argumente in dieser Diskussion hier..

    Eine Standardisierung (Leitlinien, Algorithmen, Schemata) sind bis zu einem gewissen Grad durchaus sinnvoll.

    Wenn sich deswegen Mitarbeiter vom eigenständigen Denken entfernen, ist das deren Problem. Das heißt nicht, dass z.B. Algorithmen schlecht sind.

    Ich kenne beide Fälle aus der Praxis. Überspitzt gesagt:
    – alte Rettungsdienstler, angefangen als Zivis, bis hin zum RA, jetzt als Ergänzer zum NotSan, die weiterhin z.B. nicht nach ABCDE arbeiten, jedoch auch einige Sachen bei kritischen Patienten übersehen
    – neuere Rettungsdienstler, die streng nach Schulvorgaben arbeiten, jedoch nicht über den Tellerrand hinaus denken

    Beides ist keinesfalls zu begrüßen. Im Sinne der Patientensicherheit ist es jedoch gut, standardisierte Vorgehensweisen zu etablieren.

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  23. Noch eine Anmerkung: inwiefern sich die Etablierung von Schemata und Algorithmen sowie ein leitliniengerechtes Arbeiten insoweit auswirkt, dass Kolleginnen und Kollegen gemessene Werte nicht mehr interpretieren können (s.o., kalte Hände –> 68 % Sättigung), ist mir nicht bekannt.

    Solche Vorfälle sollte man zum Anlass einer neutralen Diskussion im Sinne einer konstruktiven Fehlerkultur nehmen.

    Die Schulen, die mir in der Region Hessens bekannt sind, lehren durchaus das Abarbeiten eines ABCDE-Schemas auch ohne die Hilfe etwaiger Monitore.

    So gibt es auch genug Fallbeispiele, wo z.B. der Patientenmonitor ausfällt oder der Rucksack entwendet wurde und nur noch die eigenen Sinne zur Verfügung stehen. So braucht man selbstverständlich kein Pulsoxymeter, um eine Zyanose, eine Dyspnoe, einen Einsatz der Atemhilfsmuskulatur o.ä. festzustellen.

    Meiner Erfahrung nach gibt es hierbei keinerlei Probleme.

    Wenn Sie hierbei Gegenteiliges bei Auszubildenden oder fertig Ausgebildeten feststellen, sollten Sie dies, wie ich oben bereits schrieb, zum Anlass nehmen, solche Ereignisse aufzugreifen und aufzuarbeiten.

    Solche Unkenntnisse auf die Etablierung standardisierter Vorgehensweisen zu schieben, halte ich für unsinnig und gefährlich.

    Um ebenfalls ein Gegenbeispiel zu nennen: Halten Sie die “alte” Vorgehensweise für sinnvoll, dass jeder kritische Patient bedingungslos High-Flow-Sauerstoff bekommt? Oder jeder, der auch nur ansatzweise eine Dyspnoe äußert, ebenfalls direkt 15 Liter Sauerstoff pro Minute vor das Gesicht geknallt bekommt?

    Auch hier: in den mir bekannten Schulen, die zur Ausbildung von Notfallsanitätern berechtigt ist, ist mir nicht bekannt, dass man, ohne dies zu hinterfragen, direkt Sauerstoff verabreicht – frei nach “B-Problem –> sofort O2!!11!2. Hierbei handelt es sich eher um ein fehlerhaftes Verständnis der Schemata.

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