Bremen (rd_de) – Prävention und Gesundheitsförderung werden immer noch von vielen Rettungsdienst-Mitarbeitern vernachlässigt. Wir geben acht einfach umzusetzende Tipps, wie sich persönliche Fitness und Wohlbefinden auch im Rettungsdienst-Alltag erzielen lassen.
Selbstlos, Nichtraucher und durchtrainiert – so sieht er aus – der klassische „Retter“ im Film und Fernsehen. Egal ob Polizist, Feuerwehrmann oder Paramedic: In diversen TV-Serien aus dem US-amerikanischen Raum werden Einsatzkräfte gerne als Athleten dargestellt, die auch körperlich herausforderndste Situation meistern.
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Wer in der präklinischen Notfallrettung tätig ist, dem wird jedoch bewusst sein, dass körperliche Grenzerfahrungen keine Seltenheit im Einsatzgeschehen sind. Zeit zum Zubereiten gesunder Mahlzeiten oder für das Ausüben von Dienstsport während des Schichtbetriebs ist für viele Kollegen eine reine Utopie. Negative gesundheitliche Folgen bleiben da nicht aus. So weisen Einsatzkräfte unter anderem ein deutlich erhöhtes Risiko für Übergewicht und kardiovaskuläre Erkrankungen auf.
Rettungsdienst-Mitarbeiter verbringen einen Großteil ihres Arbeitstages im Sitzen. Sei es beim Warten auf der Wache oder im RTW auf dem Weg zum Einsatz. Wird das Team zu einem Einsatz alarmiert, erfolgt nach der Anfahrt häufig eine Versorgung des Patienten in körperlich beanspruchenden Positionen, beispielsweise im Knien oder in gebückter Haltung. Der anschließende Transport des Patienten und der Ausrüstung durch ein enges Treppenhaus stellt eine weitere Belastung dar.
Bereits hier zeigt sich, welchem Mix aus den Risikofaktoren Bewegungsmangel und hohen physischen Belastungen die Rettungsfachkräfte ausgesetzt sind. Unregelmäßige Mahlzeiten, der Griff in die Chips-Tüte als Zeitvertreib, Schlafunterbrechungen und die Konfrontation mit psychisch belastenden Situationen sind weitere Aspekte, die der Gesundheit zu schaffen machen. Es stellt sich die Frage: Wie kann man diesen Problemen begegnen?
Auch wenn einige der genannten Risikofaktoren – wie das Heben schwerer Lasten – an sich nicht beseitigt werden können, so lässt sich dennoch der Umgang mit diesen Faktoren positiv gestalten.
Die folgenden acht Tipps zum gesundheitsförderlichen Arbeiten im Rettungsdienst verfolgen zwei Ziele: 1. Zum einen sollen Ressourcen, mit denen die eigene Gesundheit gefördert werden kann, geschaffen und ausgebaut werden. Stichwort: Gesundheitsförderung. Dies ist beispielsweise dann gegeben, wenn die eigene physische Fitness durch regelmäßiges Sporttreiben verbessert wird. 2. Zum anderen sollen gesundheitlichen Risiken, die typischerweise im Rettungsdienst bestehen, vorgebeugt bzw. reduziert werden. Stichwort: Prävention. So kann beispielsweise starken körperlichen Belastungen vorgebeugt werden, indem zu tragende Lasten auf mehrere Personen verteilt werden.
In den folgenden Hinweisen werden Ansätze der Gesundheitsförderung mit Maßnahmen der Prävention kombiniert.
1. Warm-up zu Dienstbeginn
Dass vor sportlicher Aktivität der Körper aufgewärmt werden muss, ist allgemein bekannt. Verschiedene Tätigkeiten im Einsatzgeschehen sind nicht weniger körperlich anstrengend als Sporttreiben. Man denke nur an Thoraxkompressionen oder das Tragen von Patienten. Daher empfiehlt es sich, zu Dienstbeginn den eigenen Körper auf Betriebstemperatur zu bringen. Kreisende Armbewegungen, Kniebeugen und das leichte Dehnen der großen Muskeln kann hierzu als „Ritual“ ergänzt werden. Quasi als Ergänzung zum täglichen Fahrzeugcheck. Durch das Aufwärmen sollen bei der anschließenden Beanspruchung Verletzungen vorgebeugt und die Leistungsfähigkeit gesteigert werden.
2. Bewegungspausen
Um Bewegungsmangel vorzubeugen und einen gesundheitsförderlichen Anteil an körperlicher Aktivität zu erreichen, sollte sich jeder Rettungsdienst-Mitarbeiter täglich für mindestens 30 Minuten moderat bewegen. Mit moderat ist gemeint, dass man bei der Bewegungsausführung leicht ins Schwitzen gerät und das Atemzugvolumen zunimmt.
Zwischen den Einsätzen können Bewegungspausen etwa durch Tischtennis- oder Federballspielen eingeschoben werden. Die Anschaffung der nötigen Geräte ist meist leicht und kostengünstig zu organisieren. Alternativ kann auch der gemeinsame Spaziergang um das Wachgebäude das tägliche Bewegungspensum sicherstellen – wenn dies das Einsatzaufkommen zulässt.
3. Präventives Sporttreiben
Selbst ein etabliertes Gesundheitsmanagement wird einige gesundheitliche Risikofaktoren im Rettungsdienst nicht ausschalten können. So bleibt die körperliche Belastung durch das Tragen von Ausrüstung und Patienten unvermeidbar. Doch auch wenn die Last gleich bleibt, kann die körperliche Beanspruchung beeinflusst werden. Kräftigungsübungen für die Bein-, Rumpf- und Armmuskulatur können so beispielsweise dazu beitragen, dass Lasten einfacher gehoben werden können.
Neben dem Training im Fitnessstudio bieten Sportarten wie Volleyball, Schwimmen oder Judo einen förderlichen Effekt auf jene Muskulatur, die im rettungsdienstlichen Einsatzgeschehen besonders beansprucht wird.
Spezielle Rückenschul-Kurse bieten eine zusätzliche Möglichkeit, sich präventiv auf körperlich belastende Situationen vorzubereiten. Generell wird empfohlen einen wöchentlichen Trainingsaufwand von drei Ausdauertrainingseinheiten (20 – 60 Minuten) sowie zwei Kräftigungs- und Beweglichkeitstrainingseinheiten anzustreben.
4. Arbeitshilfen nutzen
Schnell mal eben den Patienten zu zweit umlagern – was häufig nur wenige Sekunden in Anspruch nimmt, kann in der Summe eine gravierende Belastung für Wirbelsäule und Gelenke von Rettungsdienst-Mitarbeitern darstellen. Es empfiehlt sich daher, vorhandene Hilfsutensilien zu nutzen.
Rollbretter ermöglichen beispielsweise ein weitgehend rückenschonendes Umlagern von Patienten im Krankenhaus. Die Indikation für Tragehilfe durch ein anderes Rettungsmittel sollte großzügig und frühzeitig gestellt werden.
An dieser Stelle sei neben dem Gesundheits- auch auf den Arbeitsschutz hingewiesen: Überschreitet das Gewicht des Patienten bei dessen Bergung mittels Tragetuch das Kraftvermögen der Rettungsdienst-Mitarbeiter, sind Stürze beim Tragen nicht unwahrscheinlich. Hierbei kann das Patientengewicht beim Anheben (Maximalkrafteinsatz) für das anschließende Tragen (Kraftausdauereinsatz) unterschätzt werden.
Das Transportieren von Notfallequipment sollte auf die zur Verfügung stehenden Personen aufgeteilt werden. Hierbei ist auf eine ausgeglichene Lastenverteilung zu achten. Beispielsweise sollten zwei ähnlich schwere Gerätschaften mit je einer Hand getragen werden.
5. Diensttaugliche Mahlzeiten
Um auch bei Diensten mit einer Dauer von bis zu 24 Stunden allzeit leistungsfähig zu sein, muss dem Körper in regelmäßigen Abständen Nahrung zugeführt werden. Dies steht im krassen Gegensatz zu der weit verbreiteten Praxis auf deutschen Rettungswachen. Da gibt es ein Frühstück zu Dienstbeginn und eine üppige Mahlzeit in den Abendstunden, die den angesammelten Hunger beseitigen und bis zum Dienstende fernhalten soll.
Bei der Auswahl der Mahlzeiten sollten die Empfehlungen der Deutschen Gesellschaft für Ernährung beachtet werden. So sollten die Mahlzeiten eine vollwertige, ausgewogene und abwechslungsreiche Ernährung ermöglichen. Zugleich ist darauf zu achten, dass die Nahrungszunahme stets von Einsätzen unterbrochen werden könnte. Mahlzeiten, die sowohl kalt als auch warm eingenommen werden können, empfehlen sich daher besonders. Schwerverdauliche Nahrungsmittel und große Mengen sollten im Schichtdienst eher gemieden werden.
Es empfiehlt sich, die Nahrungsaufnahme auf mehrere kleine Mahlzeiten zu verteilen. Um den Blutzuckerspiegel stets auf einem leistungsfähigen Niveau zu halten, kann die Vorgabe, fünf Mal täglich Obst und Gemüse einzunehmen, eine sinnvolle Option darstellen. So können kleine Snacks aus Bananen, Äpfeln oder Gemüsestreifen dem Körper in regelmäßigen Abständen neue Energie liefern.
Wird der Lieferservice dem eigenen Zubereiten der Mahlzeiten vorgezogen, lassen sich auch dort meist gesunde Gerichte wie Putenbrustsalat oder gemüsehaltige Wraps finden. Die Faktoren „guter Geschmack“ und „gesund“ können hier leicht kombiniert werden.
6. Handlungssicherheit herstellen
Die Konfrontation mit Leid und Tod gehört für Rettungsdienst-Mitarbeiter zum Arbeitsalltag. Um die psychische Belastung möglichst gering zu halten, sollte für die eigene Tätigkeit ein maximales Maß an Handlungssicherheit hergestellt werden. Jede Rettungsfachkraft wird sich nach dem Einsatz schon gefragt haben, ob man wirklich alles getan hat, was möglich war, um den Patienten bestmöglich zu versorgen. Lautet die Antwort „Ja!“, beugt das Selbstzweifeln und Stress vor.
Algorithmen, Handgriffe und der Umgang mit Geräten sowie Technik sollten auch aus diesem Grund sicher beherrscht werden. Die Wahl der zu besuchenden Fortbildungsveranstaltungen orientiert sich daher am besten an den Fragen: „Wo habe ich Wissenslücken?“ und „Wo fühle ich mich unsicher?“
Wer sich beispielsweise im Umgang mit Medikamenten nicht vollständig sicher fühlt, sollte bei der Planung seiner Fortbildungen die Thematik Pharmakologie auf die erste Priorität stellen. Das ist sinnvoller, anstatt seine Zeit für ein Thema zu verwenden, in dem man sich fit fühlt. Was anfänglich mühsam erscheint, wird sich in einer höheren Handlungssicherheit im Einsatz und damit verbunden mit weniger Stress auszahlen.
7. Die Woche planen
Dienste in unregelmäßigen Abständen machen einen regelmäßigen Arbeitsrhythmus undenkbar. Damit die Vereinbarkeit von Freizeit bzw. Familie und Beruf, regelmäßiges Sporttreiben und Zeit zum Entspannen nicht zu kurz kommen, empfiehlt es sich, jede Arbeitswoche grob vorzuplanen. Hierbei sollte darauf geachtet werden, dass die Tage nach 24-Stunden- oder Nachtdiensten zur Regeneration genutzt werden können. Fixe Termine wie Zahnarztbesuche sollten mit ausreichend Abstand zu den Dienstenden terminiert werden, um einen Puffer für Schlaf und Erholung zu gewährleisten.
Da sich nach einem anstrengenden Dienst gerne der altbekannte „Schweinehund“ bemerkbar macht, sollten im Wochenplan geplante Termine zum Sporttreiben niedergeschrieben und auch eingehalten werden.
8. Nachhaltigkeit schaffen
Es besteht die Gefahr, dass die genannten Tipps zur Gesundheitsförderung nur ein kurzes „Aufflammen“ bewirken. Damit sie nachhaltig Teil des täglichen Arbeitslebens werden, sollten im Rettungsdienst-Unternehmen die hierfür notwendigen Strukturen geschaffen werden.
Betriebliches Gesundheitsmanagement verbindet sämtliche Einzelmaßnahmen zur Förderung der Gesundheit. Es kann als Teil der Unternehmenskultur wesentlich dazu beitragen, dass Krankheitstage reduziert werden. Die Mitarbeiter im Rettungsdienst können auf gesunde Weise ihrer wichtigen Arbeit nachgehen.
Jedoch sind diese Aspekte nur ein Teil des Gewinns. Unternehmen, die sich um die Gesundheit und Sicherheit der Mitarbeiter kümmern, sind nachgewiesen erfolgreicher. Am ehesten ist dies an der steigenden Zufriedenheit und Motivation der Mitarbeiter abzulesen. Das hat am Ende wiederum maßgeblichen Einfluss auf die Patientenzufriedenheit.
Aus diesen Gründen ist es auch aus ökonomischer Sicht nicht nachzuvollziehen, warum im Rettungsdienst nur wenige Unternehmen mit gutem Beispiel vorangehen. Insofern kann nur jedem Rettungsdienstbetreiber empfohlen werden, sich eingehend und professionell mit dem Thema Mitarbeitergesundheit zu beschäftigen. Hier liegt noch viel ungenutztes Potenzial – für Mitarbeiter und Arbeitgeber!
(Text: Johannes Schillings, Sport- und Gesundheitswissenschaftler, Rettungsassistent, sowie Christian Jager, Medizin- und Gesundheitsökonom, Rettungsassistent; Symbolfotos: AOK Mediendienst; zuletzt aktualisiert: 16.11.2018) [5329]
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