Aortendissektion: Symptome wie ein Herzinfarkt

AortendissektionBerlin (idw) – Laut einer kürzlich vom Deutschen Herzzentrum Berlin (DHZB) veröffentlichten Studie erkranken wahrscheinlich doppelt so viele Menschen wie bisher angenommen an einer akut lebensbedrohlichen Aortendissektion. Das DHZB geht davon aus, dass jährlich hunderte Patienten an der Erkrankung sterben, weil sie zu spät oder gar nicht erkannt wird.

Eine schnelle und sichere Diagnose der akuten Aortendissektion ist allerdings nicht einfach. Symptome wie ein heftiger Brustschmerz werden auch von erfahrenen Rettungskräften und Notärzten oft als Zeichen eines Herzinfarktes gedeutet – und falsch behandelt.

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„Vereinfacht gesagt, ist ein Herzinfarkt die Folge eines Blutgerinnsels und wird deshalb mit Medikamenten behandelt, die das Blut verdünnen“, erläutert Stephan Kurz, Kardioanästhesist und Notarzt am DHZB. „Bei der Aortendissektion wird die Blutung dadurch noch beschleunigt und die weitere Versorgung erheblich erschwert“.

Eine Aortendissektion muss stattdessen so schnell wie möglich in einem spezialisierten Herzzentrum operiert werden. Andernfalls verläuft sie in einem Großteil der Fälle innerhalb von 48 Stunden tödlich.

Die neuen ERC Guidelines 2015 erklären alles Wichtige zur Reanimation. Leitlinien, die jeder Rettungsdienst-Mitarbeiter kennen muss.

Akute Aortendissektion: Was ist das?

Bei einer akuten Aortendissektion des Typs A reißt die innere Wandschicht der Hauptschlagader (Aorta) direkt am Herzen ein und löst sich ab. In den Zwischenraum fließt Blut und vergrößert ihn entlang der Aorta immer weiter. So können Abzweigungen – etwa zum Gehirn – verschlossen werden. Die größte Gefahr der Aortendissektion ist die Einblutung in den Herzbeutel, die rasch zum Herzstillstand führen kann. Häufig sorgt erst eine Untersuchung mit dem Computertomographen (CT) für Klarheit.

Studie: Aortendissektion kommt häufiger vor als gedacht

Ein Team der Klinik für Herz,-Thorax- und Gefäßchirurgie am DHZB (Direktor: Prof. Dr. med. Volkmar Falk) unter der Leitung von Stephan Kurz hat die Patientenakten und Notarztprotokolle von über 1.600 Patienten analysiert, die wegen einer akuten Typ-A-Dissektion am DHZB behandelt wurden. Zusätzlich wurden über 14.000 Autopsieberichte aus dem Institut für Rechtsmedizin der Charité und dem Fachbereich Pathologie des Vivantes-Netzwerks ausgewertet, um zu erfassen, wie viele Patienten in Berlin und Brandenburg an einer Aortendissektion verstorben sind.

Die Ergebnisse zeigen dringenden Handlungsbedarf:

• Die mittlere Zeit vom Auftreten der ersten Symptome bis zum Beginn der Operation liegt bei über 8 Stunden.

• Das Statistische Bundesamt geht von jährlich 4,6 Fällen auf 100.000 Einwohner aus, die Hochrechnung der in der Studie erhobenen Daten ergibt einen mehr als doppelt so hohen Wert (11,9 Fälle).

„Anhand unserer Daten müssen wir von einer Dunkelziffer von über 200 Menschen ausgehen, die in Berlin und Brandenburg jedes Jahr verstorben sind, weil eine akute Aortendissektion zu spät erkannt oder falsch behandelt wurde“, sagt Stephan Kurz.

Aortendissektion: Rettungsdienst und Notarzt sensibilisieren

Das DHZB hat deshalb bereits 2015 das Konzept eines „Aortentelefons“ ausgearbeitet: Eine medizinische Hotline, die allen Berliner und Brandenburger Ärzten rund um die Uhr koordinierend und beratend zur Seite steht. So soll die Zeit vom Ereignis bis zur OP nicht nur entscheidend verkürzt, sondern auch besser genutzt werden.

Im DHZB steht unter einer einheitlichen Nummer rund um die Uhr ein Facharzt für Anästhesie oder Herzchirurgie als Ansprechpartner für das Personal der regionalen Rettungsstellen zu Verfügung. Hierzu wurden Standardverfahren zur bildgebenden Diagnostik und Medikation erarbeitet und mit Rettungsdiensten, Notärzten und den Rettungsstellen der Kliniken in Berlin und Brandenburg abgestimmt. „Dabei ging es uns auch darum, die Kolleginnen und Kollegen weiter für eine Erkrankung zu sensibilisieren, die weit seltener, aber deshalb nicht weniger schwerwiegend ist als ein Herzinfarkt.“

(19.07.2017; Symbolfoto: Markus Brändli) [1451]

Kommentar zu diesem Artikel

  1. Sehr guter Beitrag, habe selber hier als Notfallsanitäter eine negativ Erfahrung gehabt. Wurde dadurch nochmals mehr sensibilisiert. Solche beiträge sind wichtig für den Rettungsdienst.

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