Vor einem Jahr: Hochwasserkatastrophe in NRW und Rheinland-Pfalz

(Bild: Thomas Häfner/Malteser)Bremen (rd_de) – Heute vor einem Jahr kam es am Abend des 14. Juli 2021 in Teilen Nordrhein-Westfalens und Rheinland-Pfalz‘ zu massiven Überschwemmungen. Die Folgen der damaligen Hochwasserkatastrophe wirken bis heute nach.

Andauernder Starkregen führte in der Region zu Überflutungen. Mehr als 180 Menschen verloren ihr Leben, unzählige Häuser, Betriebe und Einrichtungen wurden zerstört. Das Deutsche Rote Kreuz (DRK) und andere Hilfsorganisationen leistete Soforthilfe und trägt bis heute zur infrastrukturellen Stabilisierung bei. „Auch ein Jahr nach der Katastrophe sind wir weiter vor Ort im Einsatz, stellen wichtige Infrastruktur und psychosoziale Betreuung zur Verfügung. Wir bleiben, solange wir gebraucht werden“, sagt DRK-Präsidentin Gerda Hasselfeldt.

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In den ersten Tagen und Wochen half das DRK mit der Bereitstellung von Verpflegung, Trinkwasser, Hygieneartikeln, medizinischer Versorgung in vier mobilen Arztpraxen und einer Notfallapotheke sowie Bautrocknern und Warmluftgebläsen. Lichtmasten sorgten für Beleuchtung. Über Monate sicherten Ersatzstromerzeuger vielerorts die Stromversorgung ab. Über Richtfunk stellt das DRK weiterhin den Bewohnern des gesamten Ahrtals mobiles Internet zur Verfügung. Zudem wurden drei temporäre Kläranlagen in den Gemeinden Mayschoß, Hönningen und Altenahr vom DRK aufgebaut, um die Abwasseraufbereitung zum Schutz der Bevölkerung und der Umwelt zu sichern. Ein weiterer Schwerpunkt ist die psychosoziale Betreuung. Die drei am stärksten betroffenen DRK-Landesverbände Rheinland-Pfalz, Nordrhein und Westfalen-Lippe stellen weiterhin Beratungsangebote zur Verfügung.

„Dies alles war und ist nur möglich durch den beherzten Einsatz unserer vielen DRK-Ehrenamtlichen“, sagt Hasselfeldt. Zu Spitzenzeiten waren in der Region bis zu 3.500 Helferinnen und Helfer aus dem gesamten Bundesgebiet im Einsatz. Insgesamt hat die Personalauswertung gut 90.000 ehrenamtlich geleistete Einsatzkräftetage ergeben. Zahlreiche Ehrenamtliche unterstützen weiterhin Projekte im Wiederaufbau, der Betreuung und der Vorsorge.

„Nicht zuletzt diese Erfahrung zeigt, dass wir das Ehrenamt stärken müssen, um im Bevölkerungsschutz handlungsfähig zu bleiben“, so Hasselfeldt. Das DRK fordert eine Gleichstellung der Ehrenamtlichen von DRK und anderen anerkannten Hilfsorganisationen analog zu Freiwilliger Feuerwehr und THW in allen Bundesländern. Dabei geht es um die Freistellung vom Arbeitsplatz, Verdienstausfallleistungen an Arbeitgeber, umfassenden sozialversicherungs-rechtlichen Schutz und ein Recht zur Freistellung bei Aus- und Fortbildung sowie bei Übungen.

„Die Hochwasser-Ereignisse waren ein schmerzliches Warnsignal. Es ist daher wichtig, den Katastrophenschutz in Bayern weiter zu stärken, um auf künftige Großschadenslagen und neuartige Gefahrenlagen besser vorbereitet zu sein. Wichtig sind dabei die ehrenamtlichen Helferinnen und Helfer, ohne die eine Katastrophe dieser Art nicht zu bewältigen gewesen wäre. Der Zugang zum Ehrenamt im Katastrophenschutz muss künftig attraktiver und einfacher gestaltet werden. Dabei kommt der Vereinbarkeit von Ehrenamt und Beruf gerade in der heutigen Zeit eine besondere Bedeutung zu“, so BRK-Präsidentin Angelika Schorer.

„Wir haben bislang 21,4 Millionen Euro bereitgestellt, um die von der Flutkatastrophe Betroffenen zu unterstützen. Damit konnten wir 50.000 Menschen in über 70 Orten in den Flutgebieten helfen“, sagte der ASB-Bundesvorsitzende Knut Fleckenstein. „Wir wissen aber auch, dass der Wiederaufbau noch einige Zeit benötigt. Deshalb gilt: Unsere Hilfe geht weiter, solange die Menschen uns brauchen.“ In der Flutnacht und danach haben 2.000 ehrenamtliche Einsatzkräfte des ASB bei der Evakuierung geholfen und Notunterkünfte einschließlich Betreuung bereitgestellt.

Jörg Lüssem, Mitglied des Bundesvorstandes der Johanniter-Unfall-Hilfe, zieht anlässlich des Jahrestages der Hochwasserkatastrophe eine Zwischenbilanz: „Mit mehr als 3.000 Einsatzkräften war dies der größte Katastrophenschutzeinsatz der Johanniter-Unfall-Hilfe seit Bestehen der Hilfsorganisation. Unsere haupt- und ehrenamtlichen Helfenden haben auch im vergangenen Jahr Großartiges geleistet. Sie haben den Menschen vor Ort gezeigt, dass wir da sind und dass wir ihnen helfen.“

Zu den Lehren aus dem Hochwasser sagt Malteser-Präsident Georg Khevenhüller: „Diese Flut-Katastrophe zeigt, dass sich Deutschland im Bevölkerungsschutz und in der Wiederaufbauhilfe besser rüsten muss. Warnsysteme müssen jedermann erreichen und verständlich sein, um die Menschen gar nicht erst in Gefahr zu bringen. Betroffenen muss ein einfacher Zugang zu jeder Art von Hilfe ermöglicht werden, die ihren jeweiligen Status vor der Katastrophe wieder herstellen kann. Die Solidarität der Menschen in Deutschland ist so groß, dass die finanziellen Mittel dafür zur Verfügung stehen.“

Kommentar zu diesem Artikel

  1. Auch nach der Hochwassertragödie 2021, mit fast 200 Toten, müssen wir als Bürger und engagierte Helfer wieder einmal ein widerliche Geschachere von politischen Repräsentanten auf den verschiedenen föderalistischen Exekutivebenen “erdulden”.
    Hierbei fallen wieder einmal die Repräsentanten diverser Landesregierungen (egal welcher Farbe) besonders negativ auf, was von Landtagsabgeordneten der jeweiligen Regierungspartei mehr oder weniger kritiklos hingenommen wird.
    Die nichtpolizeiliche Gefahrenabwehr, zu der u.a. die Brandbekämpfung, der Rettungsdienst und auch der Katastrophenschutz gehört, liegt eindeutig in Verantwortung der Länder. Daraus folgt zwingend auch eine “ausreichende” Finanzierung und permanente Erledigungsaufsicht (u.a präventiv belastbar vorsorge, grundlegen belastbare Organisations- und Durchführungsnotwendigkeiten, Beschaffung und Ersatz, angemessene Personalaufwendungen und Schulungsaufwendungen). Hier pochten bisher alle Landesministerien auf eine unabhängige “Eigenständigkeit” und ließen gleichzeitig diesbezügliche Finanzierungsfragen bzw. jeden inhaltlich KatS-Vorbereitungsumfang mehr oder weniger im Dunkeln. Ein paar Zuschüsse oder Sonderfahrzeugkäufe hier und da mussten reichen. Die Presse hakte auch nicht nach, weil ja Krisen- oder gar Katastrophenszenarien eher in der Dritten Welt verordnet wurden (bzw. als als instrumentalisierte Verunsicherung der eigenen Bevölkerung diskreditiert wurde)
    Um aus Sicht von Landesregierungen zusätzlich auf Nummer sicher zu gehen, wurden nicht nur KatS-Vorbereitungsherausforderungen den kommunalen Gebietskörperschaften als gesetzliche Pflichtaufgabe aufs Auge gedrückt. Allerdings ohne angemessen vorzudefinieren, was den unter diversen fachlich objektivierbaren Vorbereitungsnotwendigkeiten zu verstehen wäre. Bis wohin ist eine kommunale Vorbereitung organisatorisch, finanziell und einsatzspezifisch noch selbst abzudecken? Wann greifen überregionale Koordinations- oder Tätigkeitsgesichtspunkte; bzw. ab wann kann man von einer nicht mehr örtlich abgrenzbaren Katastrophensituation sprechen. Mit überwiegend verwaltenden Mittelbehörden (z.B. ADD, Regierungspräsidien) erfolgte wenn überhaupt nur eine rein platonische Dienst- bzw. Vorerledigungsaufsicht. Wer nicht nachfragt, findet auch nicht konkretes was ggf. zusätzlich auf Dauer (von wem) zu finanzieren wäre!
    Dieses exekutive Verdrängen oder Relativieren half in der Vergangenheit ungemein Grundsatzfragen zu staatlich eindeutig zu gewährleistenden Daseinsvorsorge realistisch zu beantworten. Was u.a. mit einer gravierenden Mittelpriorisierung von Steuermitteln verbunden wäre. Politiker drücken sich gerne um solche Grundsatzentscheidungen, und möchten “freie” Mittel lieber für andere, wahlkampfentscheidende Klientelbevorzugungen “verwenden”.
    Weil auch nie wirklich geklärt wurde, worin sich länderspezifische KatS-Vorsorgebemühungen vom inhaltlichen Erledigungsspektrum des Bevölkerungsschutz aus dem Blickwinkel des Bundes unterscheiden, war eine unvermeidbare Verhandlungsdiffusion nicht zu vermeiden! Ist die Patientenverlegung eines hochwassergefährdeten Krankenhaus, oder die Bekämpfung eines Industrieunfall, originär ausgelöst z.B. durch Bundesbahn oder Bundeswehr, nun eine Herausforderung für den lokalen oder überregional aufgestellten Katastrophenschutz. Oder wegen drohender Evakuierungsmaßnahmen im großen Stil eigentlich der Bevölkerungsschutz gefordert. Das tangierte Spektrum ist umfangreich (ausreichende Hubschrauber bei wem mit Seilwinden und Wasserabwurfvorrichtungen, Materialreservelager für was und wo, spezifische Einsatzmittel für welche von wem lokal einzeln erhobene Risiken an welchen Orten, usw.)
    Hierbei geht es nicht um akademische Zuständigkeitsfragen oder doppelte Vorhaltungen. Sondern was müssen die Länder und was der Bund finanzieren. Und wo brechen möglicherweise dadurch Kommunen finanziell zusammen, weil das zu verteilende Steueraufkommen (Bevölkerungsdichte, Gewerbeverteilung, Struktur kreisfreier Stadt oder Landkreis, etc.) eben nicht “ähnlich” leistungsfähig hinsichtlich einer vergleichbaren Daseinsvorsorge sind. Die Technisierung von Feuerwehreinsatzmittel ziehen inzwischen immer höhere Beschaffungs- und Unterhaltungskosten nach sich!

    Die hier schon angesprochene Widerlichkeit von namhaften Landesminister, vom Bund unendliche Steuermilliarden (!) für reine KatS-Aufgaben zu fordern, ist einer der vielen politischen Nebelkerzen um gewisse Untätigkeiten und Verdrängen im jeweilen Bundesland zu kaschieren.
    Die im Hochwasser tödlich verunglücken Kameradinnen und Kameraden sollten organisierte KatS-Helfer im Hinblick auf künftig wahrscheinlich wiederholte Katastrophensituationen immer wieder veranlassen, sämtliche hochbezahlten Stellenplaninhaber (mit beachtlichen Pensionsansprüchen auch bei persönlichem Einzelversagen) an gesetzlich noch besser zu umschreibenden Detailaufgaben und deren fortlaufend gesicherte Finanzierung zu erinnern.
    ODER?

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