KVN-Vorstand kritisiert CDU-Idee zur Änderung des Rettungsdienstgesetzes

(Bild: FooTToo/Shutterstock)Hannover (KVN) – Auf deutliche Kritik des Vorstandes der Kassenärztlichen Vereinigung Niedersachsen (KVN) ist der Gesetzentwurf der CDU-Fraktion im Niedersächsischen Landtag zur Änderung des Niedersächsischen Rettungsdienstgesetzes gestoßen.

„Es ist wichtig und richtig, dass die CDU Vorschläge für eine Reform des Rettungsdienstgesetzes als Teil der Reform der Notfallversorgung in Niedersachsen vorgelegt hat. Die Probleme der Notfallversorgung können nur gelöst werden, wenn die drei Säulen – ambulanter, stationärer und rettungsdienstlicher Bereich – Hand in Hand zusammenarbeiten“, sagte der Vorstandsvorsitzende der KVN, Mark Barjenbruch, am vergangenen Mittwoch (13.09.2023) in Hannover. „In einem Rettungsdienstgesetz des Landes Niedersachsen kann die CDU aber nicht den kassenärztlichen Bereitschaftsdienst regeln“, so der KVN-Vorsitzende.

Anzeige

„Schon heute könnten theoretisch die Leitstellen des Rettungsdienstes und die Leitstelle des kassenärztlichen Bereitschaftsdienstes bestimmte Fälle digital an den zuständigen Versorgungsbereich übergeben. Praktisch verhindern dies die dezentralen Strukturen des Rettungsdienstes sowie die Pluralität ihrer verschiedenen Systeme. Es gibt keine digitale Schnittstelle der 29 Rettungsdienstleitstellen, die in beide Richtungen funktioniert. Auch nimmt der Rettungsdienst keine systematische und nachvollziehbare Ersteinschätzung vor, ob bestimmte Patientenfälle in den Zuständigkeitsbereich des kassenärztlichen Bereitschaftsdienstes fallen. Beim kassenärztlichen Bereitschaftsdienst unter der Telefonnummer 116117 wird diese Ersteinschätzung vorgenommen und gegebenenfalls an den Rettungsdienst übergeben. Außerdem gibt es keine landesweit einheitlichen Vorgaben zu Prozessen im Rettungsdienst“, kritisierte Barjenbruch.

Die Forderung der KVN: „Die CDU sollte sich zunächst für eine Reform des Rettungsdienstes einsetzen, bevor andere Akteure in die Pflicht genommen werden. Aus Sicht der KVN ist die unterschiedliche Struktur der Rettungsleitstellen in Trägerschaft einzelner Landkreise nicht mehr zeitgemäß.“

„Absurd ist die Formulierung der CDU im Antrag, dass vom Rettungsdienst beauftragte Notfallsanitäter bei leichteren Fällen eingesetzt werden können und die Kosten dafür aus dem Topf des kassenärztlichen Bereitschaftsdienstes finanziert werden soll. Eine Auferlegung von Kosten, die durch eine Tätigkeit von Notfallsanitätern oder Gemeindesanitätern unter Leitung der Rettungsdienstleitstellen verursacht werden, scheitert schon daran, dass keine Rechtsgrundlage für eine solche Auferlegung von Kosten ersichtlich ist und zudem die höherrangigen Normen des SGB V auch klar definieren, dass der Bereitschaftsdienst durch Vertragsärzte wahrzunehmen ist. Diese klaren Normen können nicht durch ein Landesgesetz ausgehebelt werden. Bundesrecht bricht Landesrecht“, stellt Barjenbruch fest.

Zu beachten sei weiterhin, dass die Regelungen des Rettungsdienstes künftig im Sozialgesetzbuch mit einer eigenständigen bundesweiten Norm kodifiziert werden, die die verschiedenen Aspekte der Notfallversorgung berücksichtigen sollen. Die angestrebte Reform des Rettungsdienstes in Niedersachsen müsse mit den bundesweiten Reformen zur Verbesserung der Notfallversorgung und der Krankenhausreform zwingende synchronisiert werden.

Kommentar zu diesem Artikel

  1. Die ambulante, stationäre und rettungsdienstlich zu verzahnende Notfallversorgung bedarf einer grundlegenden Novellierung. Blöd ist nur das der davon profitierende Bürger z.B. über die gesetzliche oder ggf. private Krankenversicherung (und indirekt als zuschießender Steuerzahler) so gut wie keine Einflußmöglicheit hat hier zeitnah für organisationsoptimierenden Druck zu sorgen.
    Und seine gewählten Repräsentanten auf Bundes- (SGB), Landes- (Krankenhausfinanzierung) oder kommunaler Ebene (RD-Träger) keine nachhaltig strukturierten Anstrengungen zeigen, hier für Besserung zu sorgen! Welcher Abgeordnete legt sich schon freiwilig mit der Lobby-Mafia im Gesundheitswesen an?
    Also muss man noch ein Weilchen warten, bis die dysfunktionale Realität entweder finanziell oder personell implodiert. Wobei durch eine konzeptionell oientierungslos agierende Legislative (ohne ebenenübergreifend strukturierte Zusammenarbeit) wahrscheinlich die Klientel sich weiterhin in diesem Sektor behaupten wird, welche medienrelevant die argumentative Lufthoheit in bundesdeutschen Wartezimmern oder Buulevard-Blätter einnimmt.
    Ablaufoptimiert erscheint derzeit nur ein neutraler Ansatz zielführend zu sein:
    Beispielsweise ämtliche Leitstellen der nichtpolizieiliche Gefahrenabwehr (ELZ-RD, ILS, u.ä.) werden regional zentriert; z.B. für Regierungsbezirke o.ä.., also nicht mehr in kommunaler (Finanzierungs- und somit Organisations-) Verantwortung. Diese Zentralen (engl. PSAP) für die 112 (RD) werden gesetzlich normiert um den jeweils deckungsgleichen Einzugbereich für die ärztliche Notdienstdisposition (116 117) erweitert.
    Der jeweils annehmende PSAP-Disponent entscheidet fallbezogen, welche medizinischen Maßnahmen (Hausarztbesuch – Krankentransport, Rettungsdienst oder ggf. auch nur Helfer vor Ort) eingeleitet werden, und dokumentiert jeden Vorgang von Anfang bis Ende, um eine durchgehende Erledigungstransparenz (Anrufvolumen, Wartezeiten, Ressourcenbelegung, usw.) sowie Qualitätssicherung zu gewährleisten.
    Über die kassenärztlichen Vereinigungen werden die jeweils konkret in Rufbereitschaft stehen Ärzte dem PSAP gemeldet und daraufhin von dieser Stelle koordiniert. Jeder Bereitschaftsarzt nimmt Erledigungsaufträge des PSAP entgegen, und meldet zeitnah am Ende von jedem Hausbesuch unverzüglich dem PSAP zurück, welche medizinische Maßnahmen aus seiner Sicht notwendig waren, bzw. noch zu veranlassen wären.
    Dem PSAP obliegt ja schon heute allein die Koordination sämtlicher Rettungsmittel (NEF, RTW, NKTW), ggf. mit oder ohne Telenotarztoption. Privat agierende Krankentransportunternehmen können ihre aktuell freien, nach Landesrecht zu besetzenden Einsatzmittel nach DIN dem PSAP permanent melden. Beim Krankentransporten handelt es sich nicht zum zeitkritische Maßnahmen, sodaß priviat zugelassene Unternehmen weiterhin eine eigenverantwortliche Disposition des eigenen Fuhrparks umsetzen können. Vom PSAP veranlasste Krankentransporte werden an frei gemeldete Krankenwagen nach aktuell nächstgelegenem Standort “verteilt”. Einsatzdaten werden zwischen den Fahrzeugdispositionszntralen über die UCRI-Schnittstelle ausgetauscht.
    Sofern ein dezentrales Helfer-vor-Ort (HvO) oder First-Responder-System (ggf. für mehrere direkt benachbarte Gemeinden) organisiert ist, wird dies ebenfalls über den PSAP korodiniert, um insgesamt vorgehaltende RD-Ressourcen in Zweifelsfällen (nach Einschätzung des PSAP-Disponenten) zunächst zurück zuhalten.
    Sofern eine ärztliche Notfallpraxis (NFP) mindestens auf Kreisebene existiert, kann dort eine weitere medizinisch agierende Maßnahmenbewertung (ähnlich wie durch den PSAP) vorgenommen werden. Sofern keine medizinische Notwendigkeit durch das Nofallambulanzpersonal im Krankenhaus erkennbar, werden dort unmittelbar vorsprechende Patienten an die NFP verwiesen (und das Notfallambulanzpersonal für eintreffende RD-Transporte entlastet).
    Hochproblematisch bleiben die dabei fallweise zurückzulegenden Fahrstrecken (bzw. Zeitbedarf!). Sowohl für Patienten mit zunächst nur erkennbaren Wehwechen, aber auch für den arztlichen Bereitschaftsdienst (zum Wohnort), aber auch die damit verbundene Belegungszeiten für Rettungsmittel (auf Notfalltransporten z.B. zum alleinigen Kreiskrankenhaus oder überregional zuständigen Maximalversorgung).
    Damit verdeckte oder medizinische Eskalationen möglichst fachlich rechtzeitig erkannt werden, wird man für ländliche Regionen in angemessenen räumlichen Abständen ernsthaft darüber nachzudenken haben, den First-Responder-Ansatz mit dem einer Gemeindeschwester oder Gemeindepfleger (als Bewertungsinstanz vor Ort bzw. Patientenlotse) zu verknüpfen.
    Spannend wird es allerdings, welche Politik bzw. Ministeriale für eine notfallmedizinische Totalüberarbeitung sorgen müsste, und wie sowas im föderativen Regulierungsdickicht refinanziert würde. Da nach Umorganisation das heute vorhandene (bzw. suboptimal verasgabte) Geld anders “verteilt” würde, ist abzusehen, welche dicken Bretter noch zu bohren wären.
    ALTERNATIVEN?

    Auf diesen Kommentar antworten

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert