Großteil der Bevölkerung für Krisenfall kaum vorbereitet

(Bild: (Symbol) Markus Braendli)Köln (idw) – Wie kann die Mindestversorgung der Bevölkerung mit lebenswichtigen Grundlagen wie Wasser oder Strom im Krisenfall sichergestellt werden? Dieser Frage sind Forscherinnen und Forscher anhand von Fallstudien nachgegangen. Analysiert wurden die wechselseitigen Abhängigkeiten der Versorgungsnetzwerke sowie das Risiko- und Krisenmanagement ausgewählter Kommunen. Untersuchungsgebiete waren die Städte Köln und Mülheim an der Ruhr sowie der Rhein-Erft-Kreis. Beleuchtet wurde auch, ob und wie Bürgerinnen und Bürger Vorsorge für den Krisenfall treffen.

Extremwetterereignisse, kriminelle Handlungen, technisches oder menschliches Versagen können schwere Auswirkungen auf die Grundversorgung der Bevölkerung in Deutschland haben. Deshalb haben das Institut für Rettungsingenieurwesen und Gefahrenabwehr (IRG) der TH Köln zusammen mit dem Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe (BBK), dem Institut für Umwelt und menschliche Sicherheit der Universität der Vereinten Nationen (UNU-EHS), der Universität Stuttgart, der Firma inter 3 GmbH und Praxispartnern das Risiko- und Krisenmanagement exemplarisch in den beiden nordrhein-westfälischen Städten sowie dem Landkreis untersucht.

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Wären etwa von einem länger andauernden Stromausfall die elektrisch betriebenen Pumpsysteme in einem Wasserwerk betroffen, könnte dies die Wasserversorgung gefährden. Zwar verfügt Deutschland über ein effizientes System zur Bewältigung von Notfällen und Krisen. Hierzu zählen etwa Feuerwehren, Rettungsdienste, Hilfsorganisationen, Behörden und private Anbieter. Aber auch diese wären wiederum von den Ausfällen betroffen, ebenso wie die Betreiber weiterer Versorgungsinfrastrukturen, wie der Abwasserbeseitigung, der Telekommunikation oder dem Verkehr. Zudem muss im Krisenfall gewährleistet sein, dass Informationen der relevanten Akteure im Risiko- und Krisenmanagementprozess ausgetauscht werden.

Erfahrungen mit mehrtägigen Ausfällen einer Infrastruktur und deren Auswirkungen auf die Versorgungssysteme sowie die Bevölkerung gibt es hierzulande kaum. Dafür zu sensibilisieren, war ein wichtiges Ziel des interdisziplinären Forschungsprojektes „Kritische Infrastrukturen – Resilienz als Mindestversorgungskonzept“ (KIRMin).

„Unsere Erkenntnisse aus dem Projekt sowie aus der intensiven Zusammenarbeit mit den Praxispartnern ermöglichen es Kommunen und Betreibern kritischer Infrastrukturen, sich technisch und organisatorisch so vorzubereiten, dass sie eine Krise effektiver bewältigen und schneller zum Normalbetrieb zurückkehren können. Zudem wurde ein Fundament für die bessere Zusammenarbeit der vielen Akteurinnen und Akteure geschaffen“, sagt Prof. Dr. Alexander Fekete vom IRG der TH Köln, der das dreijährige, interdisziplinäre Forschungsprojekt geleitet hat.

In dem Projekt wurden zunächst die infrastrukturellen Verflechtungen und daraus resultierenden Abhängigkeiten zwischen den wesentlichen Stützpfeilern der Grundversorgung, den so genannten kritischen Infrastrukturen, analysiert. Die Forscherinnen und Forscher interviewten dazu etwa 50 Expertinnen und Experten aus Versorgungsunternehmen und Behörden in den drei Fallstudiengebieten Köln, Rhein-Erft-Kreis, Mülheim an der Ruhr. Die gesammelten qualitativen Informationen wurden mit georeferenzierten Datenanalysen verschnitten. Gemeinsam bilden sie eine solide Grundlage für die Bewertung der gegenseitigen Abhängigkeiten und die Erstellung praxisnaher Szenarios.

Leitfaden zur besseren Zusammenarbeit

Wie die Akteurinnen und Akteure im Krisenfall besser zusammenarbeiten können, wurde in Workshops erprobt. „Es ist nicht selbstverständlich, dass sich Vertreterinnen und Vertreter konkurrierender Unternehmen, der Verwaltungen, Einsatzorganisationen und sogar Vertreter von Behörden auf kommunaler und Bundesebene zusammenfinden“, so Fekete. „Dabei ist es im Krisenfall besonders wichtig, dass sich die Akteurinnen und Akteure kennen, die jeweiligen Aufgaben, Kompetenzen und Herausforderungen verstehen und sich vertrauen.“

Im Projekt erstellte Szenarios für mögliche Krisenverläufe können den Kommunen nun als Grundlage für Vorsorgeplanungen dienen. „Die Worst-Case-Szenarioverläufe geben den Akteuren einerseits vielzählige Hinweise auf kritische intersektorale Schwachstellen und Bedarfe an Mindestversorgung. Andererseits zeigen die Best-Case-Verläufe aber auch Anknüpfungspunkte für eine intensivere Kooperation und für die erfolgreiche Krisenbewältigung“, so Axel Dierich von der Firma inter 3 GmbH.

Zudem wurde im Rahmen des Projekts unter Federführung des Bundesamts für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe zusammen mit dem DIN e.V. sowie mit den anderen Projektpartnern und Experten aus Wirtschaft und Bevölkerungsschutz die DIN-Spezifikation 91390 zum „Integrierten Risikomanagement im Bevölkerungsschutz“ erarbeitet. „Diese Spezifikation hat zum Ziel, das Risikomanagement von Betreibern Kritischer Infrastrukturen mit dem der nichtpolizeilichen Gefahrenabwehr zu verknüpfen und leistet somit einen wesentlichen Beitrag zur Umsetzung strategischer Vorgaben zur Stärkung des Bevölkerungsschutzes“, betont Peter Lauwe vom Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe.

Ziel des Forschungsprojekts ist die Entwicklung eines Mindestversorgungskonzepts. Dieses richtet sich an Behörden und Betreiber kritischer Infrastrukturen und bezieht die Selbsthilfe und Vorsorge der Bürgerinnen und Bürger mit ein. Die Universität der Vereinten Nationen befragte dazu mehr als 1.100 Personen in Köln und im Rhein-Erft-Kreis, ob und wie sie auf potentielle Ausfälle der Strom- und Wasserversorgung vorbereitet sind.

Großteil der Bevölkerung nicht ausreichend auf Ausfälle vorbereitet

Die Studie ergab, dass ein großer Teil der Bevölkerung nicht ausreichend auf mögliche Ausfälle vorbereitet ist und Bedarf besteht, die eigenverantwortliche individuelle Vorbereitung zu fördern. „Unsere Haushaltsbefragung hat ergeben, dass vor allem im städtischen Raum weniger Vorräte zu Hause gelagert werden. Bei einem längeren Ausfall von Strom und Wasser wäre die Bevölkerung schnell auf Hilfe von außen angewiesen, was Rettungsdienste in der Krisensituation zusätzlich belasten würde“, sagt Dr. Simone Sandholz vom Institut für Umwelt und menschliche Sicherheit der Universität der Vereinten Nationen.

Dieses fehlende Bewusstsein gegenüber Infrastrukturausfällen bei großen Teilen der Bevölkerung resultiere aus der hohen Versorgungssicherheit, die in Deutschland vorzufinden ist. „Es ist von immenser Bedeutung, die Versorgungssicherheit durch KRITIS auch weiterhin auf einem hohen Level zu halten. Daher ist es auch Ziel des Projekts, ein Evaluierungssystem zur Erfassung der Resilienz Kritischer Infrastrukturen gegenüber Ausfällen zu entwickeln“, erläutert Prof. Dr. Jörn Birkmann von der Universität Stuttgart.

Der kostenlose Projektbericht „Wege zu einem Mindestversorgungskonzept“ kann hier heruntergeladen werden.

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