Die 112 soll zur Rettungsleitstelle führen

Karlsruhe (DRK) – Der DRK Kreisverband Karlsruhe hält nichts von der europäischen Notrufnummer 112. Vor allen Dingen dann nicht, wenn medizinische Notrufe bei der Feuerwehr auflaufen. Stellvertretend für weitere Rettungsdienstbereiche in Baden-Württemberg, stemmt sich das DRK gegen den Notruferlass des Sozialministeriums.

Der Erlass des Sozialministeriums, das mit sofortiger Wirkung alle Notrufe nur noch über die neue europäische Notrufnummer 112 eingehen sollen, und die bisherige Notrufnummer in Baden-Württemberg 19 222 von allen Fahrzeugen des Rettungsdienstes entfernt werden soll, gefährdet nach Ansicht des Vorsitzenden des DRK Kreisverbandes Karlsruhe, Kurt Bickel, die Notfallversorgung im Rettungsdienstbereich Karlsruhe. Bis zum heutigen Tag gehen Hilfeersuchen der Bevölkerung jeweils an die hierfür zuständige Stelle. Bei medizinischen Notrufen wählen 90% der Bevölkerung die Nummer 19 222, bei technischer Hilfeleistung wählt die Bevölkerung die bisherige Feuerwehrnummer und jetzt europäische Notrufnummer 112. Hierdurch ist ein sicheres und schnelles Abarbeiten der Hilfeersuchen der Bevölkerung gewährleistet.

Anzeige

Wenn zukünftig alle Notrufe nur noch über eine Nummer eingehen sollen, so wird in bestimmten Schadenslagen z. B. jetzt bei Unwettern oder bei größeren Verkehrsunfällen auf der Autobahn die 112 verstopft sein und medizinische Notrufe bleiben in der Leitung stecken. Dies verzögert unnötig medizinische Hilfe.

„Vor wenigen Wochen hat das Sozialministerium noch vehement für die Verkürzung der Hilfsfristen gekämpft“, so Kreisgeschäftsführer Jörg Biermann, nun verschlechtert man sie indem man die bisherige medizinische Notrufnummer verbieten möchte.

Kreisverbandsvorsitzender Kurt Bickel macht das an einem einfachen Beispiel deutlich. Wenn z. B. in einer Diskothek Panik ausbricht und alle Besucher nur durch eine Tür ins Freie gelangen wollen, so führt dies unweigerlich zum Chaos. So ist es auch, wenn eingehende Notrufe bei Unwettern, Unfällen oder Katastrophenlagen nur durch eine Nummer an die Leitstellen gelangen sollen, wobei man nicht am Klingeln erkennen kann, ob es sich um einen medizinischen oder technischen Notfall, wie Baum auf der Straße oder Wasser im Keller, unterscheiden kann. Aus diesem Grund tritt der DRK Kreisverband, zusammen mit dem DRK Landesverband Baden-Württemberg und seinen zahlreichen Kreisverbänden für die Schaffung einer bundesweiten medizinischen Notrufnummer ein. Bereits heute existieren in zahlreichen europäischen Ländern, neben der europäischen Notrufnummer 112, weitere Nummern für medizinische Notrufe z. B. in Frankreich die 15, in Großbritannien die 9, in Italien die 118 usw.

Zur Sicherstellung der Notfallversorgung der Bevölkerung fordert deshalb der DRK Kreisverband eine ähnliche Nummer, z. B. die 111, damit die Bevölkerung schon im Vorfeld wählen kann, ob sie polizeiliche, technische oder medizinische Hilfe benötigt. Sollte das Sozialministerium aber weiter auf seinen Erlass bestehen, so fordert Kreisverbandsvorsitzender Kurt Bickel, dass die neue europäische Notrufnummer 112 bei der Rettungsleitstelle des DRK, wie aktuell in Tübingen, aufläuft.

Die Rettungsleitstelle Karlsruhe, mit Sitz in Bruchsal, vermittelte im letzten Jahr 104.748 Fahrten, davon 42.963 Notarzt- und Rettungswagen- Fahrten. Die Feuerwehrleitstelle wickelte insgesamt rund 7.000 Einsätze ab.

Diese Forderung unterstütze am Wochenende auch der Landesausschuss des DRK Landesverbandes Baden-Württemberg, auf der der Präsident des DRK Landesverbandes, Dr. Lorenz Menz, forderte, dass die Notrufnummern bis zur endgültigen Integration der Leitstellen dort aufläuft, wo die meisten Notrufe eingehen. Der Landesgeschäftsführer des DRK Landesverbandes, Hans Heinz, stellte fest, „ich bin fest überzeugt, dass eine medizinische Notrufnummer z. B. die 111 dem Bürger tausend mal wichtiger ist, als eine einheitliche Behördenrufnummer 115“.

DRK Kreisverbandsvorsitzender Kurt Bickel und Kreisgeschäftsführer Jörg Biermann betonten abschließend noch mal, dass die Umsetzung des jetzigen Erlasses eine erhebliche Verschlechterung der Notfallversorgung für die Bevölkerung bedeuten würde, weshalb sich auch die Rettungsdienstbereiche Pforzheim, Heilbronn, Mannheim, Ludwigsburg, Tübingen und Freiburg gegen den Erlass des Sozialministeriums wehren.

Kommentare zu diesem Artikel

  1. Anstatt zu fordern, dass weiterhin die 19222 für medizinische Notrufe vorbehalten bleibt sollte man lieber darüber nachdenken, eine Leitstelle zu schaffen, die sowohl technische wie medizinische Hilferufe entgegennehmen kann. Im größten Teil Deutschlands wird das bereits so gehandhabt, ohne, dass die Qualität der Notfallversorgung gelitten hätte. Die Unfähigkeit eine universell einsetzbare Leitstelle einzurichten sollte nicht hinter dem vermeintlichen Patientenwohl versteckt werden. Die Einrichtung einer weiteren Nummer kann im Übrigen nur ein schlechter Witz sein. Wir brauchen nicht mehr Nummern, sondern Leute, die in der Lage sind die darüber eingehenden Notrufe zu bearbeiten. Und davon, die 19222 abzuschalten hat wohl kaum einer geredet. Die läuft auch bei uns weiterhin auf , allerdings nachrangig.
    110, 112. Zwei Nummern, zwei Leitstellen. Für mich als deutschen Bundesbürger gehört es zum Standart über die 112 sowohl die Feuerwehr als auch den Rettungsdienst erreichen zu können.

    Auf diesen Kommentar antworten
  2. Sehr richtig, Status3.
    Allerdings erreicht man über die 112, per Handy gewählt, im Saarland z.B. den Polizeinotruf, per Festnetz gewählt die Haupteinsatzzentrale der Feuerwehr. Zum Rettungdienst gelangt man nur über die 19222, bei Handy muss man sogar noch die 0681 vorwählen. Vom Festnetz aus muss man für die Polizei die 110 wählen, geht vom Handy aus auch, aber meines Wissens nicht ohne Guthaben.
    Welcher normale Bürger will das durchschauen?

    Spanien z.B.: Feuerwehr, Rettungsdienst, Wasserrettung, Zivilschutz, Policia local: 112; Guardia Civil (ähnlich Gendarmerie): 062
    So einfach kann das sein!

    Auf diesen Kommentar antworten
  3. Ich gebe beiden Vorschreibern absolut recht.
    Diese Äusserungen des KGF, KV-Vorsitzenden und auch des Landesausschusses haben nur eins zur Folge, nämlich Panikmache und Unsicherheit in der Bevölkerung. DAS ist meiner Meinung nach eine Verschlechterung der notfallmedizinischen Versorgung, da der normale Bürger derart verunsichert wird und nicht mehr weiss wo er denn jetzt im Notfall anrufen soll. Folge: er ruft wahrscheinlich gar nicht an oder mit großer zeitlicher Verzögerung… Wo das im Notfall förderlich sein soll, wüsste ich gern.
    Es wäre überhaupt kein Problem und ist damit ausgemachter Blödsinn, dass nicht genügend Leitungen für EINE Notrufnummer, über die alle Anrufe auflaufen, zur Verfügung stünden. Es stellt kein Problem dar, die “19222”-Leitungen auf die “112” umzustellen. UntermStrich stehen damit genausoviele Leitungen zur Verfügung wie vorher, und offensichtlich reichen sie ja jetzt auch aus!
    Mir erscheint die Sache hier eher so, dass sich wieder einmal eine Institution des Roten Kreuzes in seiner gewohnten Trägheit und Standesdenken bzw. Monopolanspruch keine Lust, vielleicht sogar Angst hat, sich zu verändern. Es wäre schliesslich mit Arbeit verbunden und könnte zu unbequemem Wettbewerb um die Führung der Leitstelle werden…
    Anstatt auf der Bürgernummer, die ich in unserem Bürokratie-Dschungel für sehr sinnvoll halte, herum zu hacken, sollten sich die Verantwortlichen dieser unnötigen Panikmache lieber Gedanken um eine schnelle und reibungslose Umsetzung der einheitlichen Nummer machen!!! Schliesslich predigt man ja immer die Einhaltung von Hilfsfristen, Minimierung von Zeitverlusten, schnelle Hilfe usw. …

    Auf diesen Kommentar antworten
  4. Ein Gedankenspiel:
    Der Rettungsdienst in Karlsruhe befindet sich im Eigentum des DRK. Da wird der KV-Vorstand ja wohl noch die Rufnummer selbst festlegen können.
    Allerdings:
    Wie wird man dort die Situation sehen, wenn “Rettungs-Investor-Fonds” wie “Johanniter/Malteser”, die u.a. das DRK in Bonn und Heinsberg aus dem Rettungsdienst tilgten, die nächste Ausschreibung in Karlsruhe mit Dumping-Preisen gewinnen?
    Denn:
    Träger des Öffentlichen Rettungsdienstes ist auch in BaWü das Land, vertreten durch das Ministerium für Arbeit und Soziales.
    “Soweit die bedarfsgerechte Versorgung der Bevölkerung mit leistungsfähigen Einrichtungen des Rettungsdienstes nicht nach Absatz 1 sichergestellt ist, ist die Versorgung Pflichtaufgabe der Landkreise und Stadtkreise.”

    Ein Sprichwort sagt: “Wer die Musik bestellt, bestimmt auch was gespielt wird”.
    Die Politik will EU-weit seit 1993 die 112 als Universal-Notruf. Die Patienten wollen die 112 auch. Die 19222 ist als Notruf relativ unbekannt, wie die Sendung “Report” (BR) bei einer Umfrage feststellte. 19222 ist es übrigens im Sinne von DIN 13050 und den Telekom-Regeln auch nie Notruf gewesen, sondern bundeseinheitliche 19er-Service-Nummer für Krankentransport (Taxi 19 410, Bahn 19 449, etc.). Technisch im Festnetz priorisiert waren immer nur 110 und 112. Siehe wikipedia u.a.

    Andere Länder haben durch intensive Werbung binnen sechs Monaten auf die 112 umgestellt, darunter Luxemburg, Niederlande, Spanien und Finnland, und natürlich Rumänien. Auch die Türkei hat bereits die 112 und ist nicht in der EU. Da soll es dann im Musterländle nicht funktionieren? Viele der Spots für die 112 sind bei Youtube zu finden.

    Wenn sich das Rote Kreuz Karlsruhe zum Öffentlichen Rettungsdienst als hoheitliche Aufgabe bekennt, muss es die Integrierte 112-Leitstelle unterstützen, weil die integrierte 112-Leitstelle europaweit, eigentlich weltweit “state of the art” bei der staatlichen Gefahrenabwehr ist.
    Bekennt sich das DRK Karlsruhe zum Rettungsdienst als “gewinnorientierter Markt”, muss es sich wegen der EU-Regeln zur Markttransparenz und zu Kartellen aus den Leitstellen zurückziehen, weil derzeit die Entfaltung der anderen Marktteilnehmer (ASB, JUH, MHD, etc.) nicht gewährleistet ist.
    Marktbeherrschende Monopole sind nämlich in Europa verboten; da musste sogar Microsoft mehrere hundert Millionen Euro Strafe zahlen und die automatische Installation des Browsers “Internet Explorer” mit dem WIN-Betriebssystem ändern. Die Nutzer sollten sich nämlich auch für Mozilla Firefox, Opera und andere entscheiden können. Für einen “Rettungs-Markt” gilt das auch.

    Als Leistungserbringer im Rettungsdienst hat das “Rote Kreuz” den gleichen Status wie alle anderen “Firmen” auch. Nur als “Nationale Rotkreuzgesellschaft” ist das DRK herausgehoben. Da BaWü (trotz der Unstimmigkeit zwischen “Badenern” und “Schwoben”) kein Bürgerkriegs- oder Kriegsgebiet ist, auch kein Krisen- oder Katastrophengebiet, kommt dieser Status im Rettungsdienst nicht zum Tragen. Von 186 Rotkreuzgesellschaften weltweit ist übrigens auch nur eine Handvoll am regulären Rettungsdienst beteiligt, weil nach der internationalen Satzung dies eigentlich nur dort üblich ist, wo ein Staat es selbst nicht schafft. Nach dem Krieg war das auch in Deutschland so.

    Lieber Vereinsvorstand, das Leben hat euch eingeholt: Herzlich willkommen in der realen Welt. Sinn, Verstand und öffentliche Gelder reichen heute nur noch für eine gemeinsame Leitstelle. Zum Glück sind die sogar leistungsfähiger als das bisherige Melde-Wirrwarr.

    Übrigens: Unter den ganzen Beteiligten am Rettungsdienst sind die Feuerwehren, kommunale Rettungswachen und das Bayrische Rote Kreuz als unmittelbare Körperschaft des Freistaates Bayern die einzigen öffentlichen Einrichtungen. Ein Beamter der Berufsfeuerwehr kann in der Leitstelle dem Hilfesuchenden das nächststehende Rettungsmittel schicken, ohne Rücksicht darauf welche Organisation dann ausrückt. Der Beamte ist per Diensteid dem Grundgesetz verpflichtet, der DRK-Bedienstete per Arbeitsvertrag seinem Kreisverband.
    Wer mich für böse hält, ist eingeladen im Archiv der “Stuttgarter Nachrichten” und der anderen Tageszeitungen dort, über die Details selbst zu recherchieren.

    Auf diesen Kommentar antworten
  5. HEUREKA ! Das Land Baden-Württemberg hat sich gegen das Ansinnen des örtlichen Roten Kreuzes durchgesetzt:

    Die neue Integrierte Leitstelle Karlsruhe wird vsl. im Sommer 2016 ihren Betrieb auf dem Gelände der geplanten neuen Hauptfeuerwache der Stadt Karlsruhe aufnehmen. Vor wenigen Tagen fand der obligatorische “erste Spatenstich” statt.

    Vgl. http://www.im.baden-wuerttemberg.de/de/Meldungen/307988.html?referer=81115&template=min_meldung_html&_min=_im vom 20.11.2013

    Abendliche Grüße aus dem Südwesten

    Auf diesen Kommentar antworten
  6. Am 1. April 2014 (KEIN AprilSCHERZ !) soll die neue Integrierte Leitstelle in Ludwigsburg in Dienst gehen:

    vgl. http://www.lkz.de/lokales/stadt-kreis-ludwigsburg_artikel,-Integrierte-Leitstelle-wird-gGmbH-_arid,202217.html vom 25.02.2014

    Sie soll in der Rechtsform einer gemeinnützigen Gesellschaft mit beschränkter Haftung (gGmbH) geführt werden. Dies beschloss der zuständige Ausschuss für Umwelt und Technik des Landkreises Ludwigsburg in seiner letzten Sitzung am 24.02.2014. Damit beschreitet man Neuland im “Ländle”.

    Zurzeit sind beide Teile, Feuerwehr und Rettungsdienst, noch räumlich getrennt. Weiterhin bestehende Probleme bei vereinzelten Schnittstellen sollen bis Ende März endgültig gelöst sein.

    Übrigens: In diesen Tagen sollen auch die Hilfsfrist-Eintreffquoten für das Jahr 2013 veröffentlicht werden. Da bin ich schon sehr gespannt, welche Begründungen diesmal angeführt werden, weshalb es in den 37 Rettungsdienstbereichen auch diesmal nicht zu einer Erfüllung der Quoten für RTW u n d Notarzt (Eintreffen von RTW u n d Notarzt in 10, höchstens 15 Minuten – und dies in mindestens 95 Prozent ALLER Fälle) gekommen ist…

    Mit einem närrischen Helau aus dem Südwesten in alle Narrenhochburgen verabschiede ich mich ins vorgezogene und verlängerte Fassenachtswochenende :o)

    Auf diesen Kommentar antworten

Schreibe einen Kommentar zu Jörn

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert