AWMF-Leitlinien und ihre Bedeutung für die Notfallmedizin

Bremen (rd_de) – Wer im Internet zum Beispiel nach „Reanimation Leitlinien“ sucht, wird schnell auf die AWMF-Leitlinien stoßen. Wer oder was ist AWMF? Und welche Bedeutung haben Leitlinien für die moderne (Notfall-)Medizin?

Schon seit Jahren versuchen die medizinischen Fachgesellschaften, Leitlinien zu den Therapien einzelner Krankheiten zu erstellen. Inhalt dieser Leitlinien sollen dann möglichst nur wissenschaftliche und damit objektivierbare Inhalte sein. Deutschsprachige Interessenten können die aktuellen Leitlinien auf der Webseite der Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften (AWMF) nachlesen.

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Es wird deutlich: Ein Vorgehen nach dem Motto: „Ich hatte da vor einem Jahr schon mal einen ähnlichen Fall, also machen wir es jetzt wieder so“, kommt also nicht in Frage. Stattdessen geht es um Evidence Based Medicine. Sie umfasst nur Therapieschritte, deren Effizienz in klinischen Studien wissenschaftlich belegt ist.

AWMF-Leitlinien mit einem hohen Anteil an systematischen und Evidence Based Medicine-Elementen werden S3-Leitlinien genannt. Leitlinien mit einem geringeren Anteil klassifiziert man als S2 oder S1. Mögliche Lücken werden durch Konsens der Beteiligten geschlossen. Die S3-Leitlinien werden regelmäßig überprüft.

AWMF-Leitlinien: eine Entscheidungshilfe

Alle AWMF-Leitlinien sollen den behandelnden Ärzten bei ihrer Arbeit helfen. Sie stellen keine Handlungsanweisung im Sinne einer gesetzlichen Verordnung dar. Da einzelne Behandlungssituationen häufig nicht miteinander vergleichbar sind, obliegt es immer dem Arzt vor Ort, ob leitliniengerecht behandelt werden kann oder nicht. Manche Situationen zwingen den Arzt zu einer Abweichung von der jeweiligen AWMF-Leitlinie. Eine S3-Leitlinie ist also lediglich eine systematisch entwickelte Entscheidungshilfe.

Über die AWMF-Leitlinien der Fachgesellschaften hinaus gibt es noch Therapieempfehlungen von medizinischen Arbeitsgemeinschaften. Zur Erstellung der Therapieempfehlungen der Arbeitsgemeinschaft der in Norddeutschland tätigen Notärzte (AGNN) beispielsweise treffen sich zweimal im Jahr die Mitglieder des AGNN-Fortbildungsausschusses. Sie aktualisieren gegebenenfalls die Therapieempfehlungen und veröffentlichen sie online unter www.agnn.de.

Leitlinien mobil nutzen

Bereits 2012 hat die Deutsche Gesellschaft für Innere Medizin (DGIM) eine Applikation für ihre Mitglieder mit medizinischen Leitlinien auf den Weg gebracht. Sie empfiehlt die Handlungswege nach S2- und S3-Leitlinien und erleichtert Entscheidungen bei komplexen medizinischen Sachverhalten. Ihre Leitlinien-App bietet die DGIM anlässlich des 121. Internistenkongresses auch Nicht-Mitgliedern kostenfrei an. Die DGIM ermöglicht es damit allen Medizinern, mobil – also mit Smartphone oder Tablet-PC – Leitlinien abzurufen.

Im Rahmen der 2012 gestarteten e.Akademie rief die DGIM in Zusammenarbeit mit dem Börm-Bruckmeier-Verlag die App „Mobile Leitlinien Innere Medizin“ ins Leben. Bisher stand das Angebot exklusiv Mitgliedern der Fachgesellschaft zur Verfügung, nun ist die App frei verfügbar.

Die App umfasst Leitlinien zur Diagnostik und Therapie der Venenthrombose, Lungenembolie, chronischer Pankreatitis, nosokomialer Pneumonie, chronischen Obstipationen, Lungenkarzinomen und zur rheumatoiden Arthritis. Interaktive Elemente erleichtern den Medizinern die leitliniengerechte Diagnose und Therapie im Alltag. Dafür fragt die App Symptome und Diagnoseparameter ab und führt die Nutzer je nach Antwort unmittelbar zu den leitliniengerechten Therapiewegen und Medikationen.

Praktisch ist zudem, dass die Leitlinien auch ohne Internetverbindung verfügbar sind. Die Inhalte sind innerhalb der medizinischen Fachgesellschaften und Verbände abgestimmt. Die neuen Anwendungen stehen sowohl für iPhone und iPad als auch Android zur Verfügung. Die Leitlinien-App ist ab sofort in den jeweiligen App-Stores verfügbar.

(Text: Dr. Gerald Bandemer, Anästhesist und Notarzt, Ärztlicher Leiter DRF-Luftrettungszentrum in Bremen; Symbolfoto: Markus Brändli; 17.04.2015)

 

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