ICE-Unglück: Eschede war eine Zäsur für die PSNV

(Bild: Heide Pinkall/Shutterstock)Eschede/Hannover (JUH) – Das ICE-Unglück in Eschede vor 25 Jahren war auch für erfahrene Rettungskräfte eine immense seelische Belastung. Das Zugunglück mit 101 Toten stellte eine Zäsur für die Weiterentwicklung der heutigen Psychosozialen Notfallversorgung (PSNV) auch bei der Johanniter-Unfall-Hilfe (JUH) dar.

Bis dato griffen vorrangig die Angebote der Krisenintervention und ihrer Teams (KIT), die allerdings weniger strukturiert und professionalisiert umgesetzt wurden. Zum ersten Mal wurden an diesem 3. Juni 1998 aber in Deutschland offensichtlich in großem Rahmen eine systematische Notfallseelsorge und Einsatznachbetreuung für Haupt- und Ehrenamtliche nötig.

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Der Begriff „Psychosoziale Notfallversorgung“ wurde 2008 durch das Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe (BBK) erarbeitet. Heutzutage richtet sich dabei die PSNV-B an betroffene Personen wie Opfer oder Angehörige, die PSNV-E dient der Betreuung der eigenen Einsatz- und Rettungskräfte.

Gerhard Latt war 1998 als ehrenamtlicher Helfer vor Ort in Eschede. Der damals 47-jährige Rettungssanitäter wurde 1966 Mitglied der Johanniter und hatte sich schon in den 1970er-Jahren für den Ausbau der Begleitung der Einsatzkräfte eingesetzt. Es fehlte damals allerdings noch an weitergehenden Strukturen innerhalb der Hilfsorganisationen. Mittlerweile basiert das Angebot einer umfassenden PSNV der Johanniter für die spezifische Betreuung nach belastenden Einsätzen oder Krisensituationen auf qualitativen Standards.

2016 hat sich Gerhard Latt als Fachberater Psychotraumatologie qualifiziert. Er ist Lehrbeauftragter für Lehrkräfteausbildung und PSNV, Landeskoordinator PSNV für den Landesverband Niedersachen/Bremen sowie als Dozent der Johanniter-Akademie tätig. Seit 2015 gehört er auch dem Landesbeirat PSNV an, der dem Niedersächsischen Innenministerium angegliedert ist und die JUH in Niedersachsen vertritt.

„Nachsorge für die Helfenden ist heute ein etablierter Bestandteil des professionellen Einsatzmanagements bei den Johannitern. Dazu zählt auch, dass wir an unserer Johanniter-Akademie Bildungsangebote für die Psychosoziale Notfallversorgung etabliert haben. So werden Kompetenzen im Umgang mit traumatischen Erlebnissen bereits in der Grundausbildung für den Bevölkerungsschutz und Rettungsdienst vermittelt sowie spezialisierte PSNV-Teams geschult“, erklärt Hannes Wendler, Mitglied im Landesvorstand der JUH.

Die Ausbildung im Bereich PSNV-B für Betroffene wie zum Beispiel Angehörige, Überlebende oder Zeugen ist ab einem Mindestalter von 23 Jahren und auch für ehrenamtlich Interessierte möglich. Sie umfasst 100 Unterrichtsstunden und zusätzlich 15 Stunden Prüfung. Eine psychologische Ausbildung oder Erfahrungen im Rettungsdienst sind nicht erforderlich.

Die Ausbildung findet an den jeweiligen Standorten unter Leitung von Fachdozenten und Lehrbeauftragten statt. Sie schließt mit einer schriftlichen und praktischen Prüfung ab. Die Fortbildung hinsichtlich der PSNV-E für Einsatzkräfte ist später auch für vollständig ausgebildete und einsatzerfahrene Kräfte der PSNV-B möglich. Hier sind Erfahrungen im Bereich Rettungs- oder Sanitätsdienst allerdings von Vorteil, das Mindestalter liegt bei 25 Jahren.

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