Loveparade: Großeinsatz für den Rettungsdienst

Bereits gegen 15 Uhr nahm das Gedränge in Richtung Tunne bedrohlich zu, berichten Kräfte des DRK LV Nordrhein (Foto: R. Mrosek/DRK)Duisburg (rd.de) – Die Loveparade in Duisburg mündete in einer Tragödie. Der zu eng bemessene Zugangsbereich wird den zuströmenden Besuchern zum Verhängnis. Die Bilanz: 19 Tote, 342 Verletzte und weinende Einsatzkräfte.

Das Massenspektakel Loveparade 2010 sollte ein rauschendes Fest im Westen des Ruhrgebiets werden, doch es geriet zu einer Tragödie. Vor einem trichterförmingen Zulauf zum Tunnel, der in das Veranstaltungsgelände führen sollte, stauten sich die zuströmenden Besucher. In der drangvollen Enge brach Panik aus. Erste Personen kollabierten in der Menschenmenge und wurden niedergetrampelt. Beim Fluchtversuch über eine abgesperrte Seitentreppe kamen weitere Teilnehmer zu Tode.

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Weit mehr als 1.200 Einsatzkräfte waren für den Sanitätsdienst der Loveparade im Einsatz. Aus ganz Nordrhein-Westfalen wurden die Einsatzkräfte nach Duisburg geschickt.

Helfer als Augenzeugen

Lange im Voraus hatten sich zwei Helferinnen und ein Helfer des DRK Coesfeld und Lüdinghausen als Freiwillige für den Loveparade-Einsatz gemeldet. Als die Massenpanik gegen 17.15 Uhr ausbrach, waren die Drei direkt vor dem Tunnel. Sie waren die ersten und auch vorerst einzigen Einsatzkräfte vor Ort und begannen mit ersten Reanimationsversuchen.

Die Bahnunterführung und seine Einmündung wurden im Gedränge zur Todesfalle. (Foto: Johann H. Addicks, Wikimedia)Der Malteser-Einsatzleiter der Kräfte aus Lage/Lippe, Nils Brandes, berichtet auf der Seite des Malteser-Ehrenamts von schockierenden Eindrücken und Helfern, die Schwerstarbeit geleistet haben und nun selbst der Betreuung bedürfen.

Insgesamt 30 Helfer der Malteser Lage/Lippe, Geseke und Dortmund aus dem Erzbistum Paderborn stellten zusammen eine mobile Sanitätsstation. “Wir sollten als mobile Sanitätsstation dort eingesetzt werden, wo die vorhandenen Behandlungsplätze überlastet waren oder wo auf dem Weg zum Veranstaltungsgelände eine zusätzliche Station aufgebaut werden musste”, so Nils Brandes, Leiter der mobilen Einheit aus der Stadtgliederung Lage/Lippe.

Übermenschliches geleistet

“Viele Helferinnen und Helfer bringen Erfahrungen von den Veranstaltungen der letzten Jahre aus Berlin, Essen und Dortmund mit“, schreibt Brandes weiter. „Als es am Zugangstunnel zur Massenpanik kam, waren wir in unmittelbarer Nähe und wurden sofort zum Unglücksort gerufen. Wir übernahmen die Reanimation und medizinische Erstversorgung zahlreicher Verletzter. Leider kam jedoch für einige Besucher jede Hilfe zu spät. Unsere Einsatzkräfte haben Übermenschliches geleistet, und für uns alle war es wohl der schwerste Einsatz unseres Lebens”, berichtete Nils Brandes kurz nach dem Einsatz an die Diözesangeschäftsstelle. Im Anschluss an den Einsatz wurden die Kräfte in einer Jugendherberge einquartiert, wo sie psycho-soziale Unterstützung erhielten, unter anderem durch einen Malteser-Seelsorger. Die meisten Helfer verbrachten die Nacht zur Betreuung in Duisburg. „Wir werden sicherlich lange brauchen, um das Geschehene und Gesehene zu verarbeiten.”

Reserven mobilisieren

Rettungsfahrzeuge im Bereitstellungsraum (Foto: DRK Bereitschaft Hameln)Die Verantwortlichen für Rettungs- und Sanitätsdienst hatten bereits im Vorfeld alle notwendigen Vorkehrungen getroffen. Im ganzen Land waren weitere Kräfte in eine Rufbereitschaft versetzt worden. Mit dem Eingeständnis, dass die Situation im Veranstaltungsgelände außer Kontrolle geraten war, wurde im Rahmen des Katastrophenplans NRW großzügig nachalarmiert. Doch das Problem war weniger der Mangel an Einsatzkräften, sondern in der Akutphase sicherlich die Zuführung der Einheiten in das immer noch überfüllte Unglücksareal. Erst viel später, als sich der Tunnelbereich geleert hatte, konnte die Einsatzlage strukturiert abgearbeitet werden. Wie lange die Einsatzkräfte benötigten, um die 342 Verletztenfälle zu behandeln, dokumentiert die Tatsache, dass sogar noch um 21 Uhr weitere Kräfte herangezogen wurden. Die Rufbereitschaft des DRK Coesfeld rückte mit 76 Einsatzkräften und 18 Fahrzeugen ins Einsatzgebiet aus.

Die gesperrte A 59 verwandelte sich in ein  gigantisches Feldlazarett. Kräfte des regulären Rettungsdienstes und der Katastrophenschutzbereitschaften arbeiteten in Duisburg Hand in Hand. So war zum Beispiel die Berufsfeuerwehr Köln mit 120 Helfern, ELW, fünf Notärzten und einem Leitenden Notarzt zusammen mit 70 DRK-Helfern, die einen Betreuungsplatz für bis zu 500 Personen betreuten, gemeinsam im Einsatz. Auch Feuerwehrkräfte aus Remscheid und Solingen waren vor Ort; Kräfte aus Krefeld, Essen, Münster (80 Kräfte), dem Kreis Soest, dem Kreis Warendorf, aus Leverkusen (30 Kräfte) und Euskirchen. Mancherorts mussten die freiwilligen Feuerwehren die Stadtwachen besetzten. Der Kreis Borken schickte im Rahmen der Nachalarmierung einen Patienten-Transportzug mit 10 Fahrzeugen nach Duisburg.

Hilfe für Helfer

Die Aufarbeitung der Tragödie wird für viele der Einsatzkräfte eine ganze Zeit in Anspruch nehmen. Am späten Samstagabend konnte man fassungslose Einsatzkräfte sehen, die im Gespräch mit ihren Kollegen ihre Tränen nicht mehr zurückhalten konnten. Den zahllosen Augenzeugen des Geschehens und den Rettungskräften muss nun jede Hilfe zuteil werden, die erforderlich ist, um mit dem Erlebten umzugehen.

Diese malteser aus Bad Honnef standen ganz in der Nähe der Unterführung und betrieben die Verletztenablage am Tunnel. (Foto: Malteser Bad Honnef)Was die Einsatzkräfte betrifft, scheint es an Betreuungsangeboten keinen Mangel zu geben: „Gut, dass für eine professionelle Nachsorge vorbildlich gesorgt wurde“, lobte Dr. Andreas Archut, Stadtbeauftragter der Maltesern in Bad Honnef. Kräfte aus dem Rhein-Sieg-Kreis (Siegburg, Bad Honnef und Meckenheim) mit einer Gesamtstärke von 35 Einsatzkräften organisierten die Verletztenablage direkt am Unglückstunnel. „Dankbar bin ich der Einsatzleitung in Duisburg, die allen Helfern ein erstes Nachgespräch ermöglichte, und unserer Leitung Einsatzdienste, die das Helferkontingent noch in der Nacht in der Heimat in Empfang genommen und Angebote für eine Aufarbeitung des Geschehenen gemacht hat“, so Archut weiter.

Peter Iven, Pressesprecher der Evangelischen Kirche im Rheinland, berichtet darüber, dass im Gefolge der Katastrophe in Duisburg alleine 50 Notfallseelsorger entsendet wurden. Die Loveparade sei somit „einer der größten Einsätze der Notfallseelsorge in Deutschland“ geworden. Pfarrerinnen und Pfarrer unter Leitung des Duisburger Notfallseelsorgers Richard Bannert und des Landespfarrers für Notfallseelsorge, Joachim Müller-Lange, nehmen sich der vom Unglück Betroffenen an. Gleichzeitig kümmern sich die Helfer um Einsatzkräfte der Polizei sowie der Rettungsdienste, um mit dem Erlebten klarzukommen.

Kommentare zu diesem Artikel

  1. Wir gedenken den 19 Toten, 342 Verletzten und Hinterbliebenen der tragischen Ereignisse auf der Loveparade 2010 in Duisburg.

    Ebenso gilt unser Mitgefühl allen Rettungskräften, welche dieses Unglück am 24. 07. 2010 miterlebten und verarbeiten müssen.

    Alle Mitarbeiter der RESCUE – LINE · Sanitätsdienste

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  2. Die Zahl der Toten hat sich mittlerweile auf 21 erhöht. Nachdem bereits am Montag eine 21-jährige Love-Parade-Besucherin im Krankenhaus ihren Verletzungen erlegen war, starb in der Nacht zu Mittwoch eine 25-Jährige. Die Zahl der Verletzten liegt bei über 500. Laut Staatsanwaltschaft Duisburg befinden sich noch rund 40 Personen in stationärer Behandlung.

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  3. Ich wünsche den eingesetzten Kollegen viel Kraft um mit dem umgehen zu können, was sie gesehen haben. Was den oben stehenden Link angeht gebe ich mal diesen hier dazu, der für mich sehr anschaulich die Reaktionen von Helfern beschreibt. http://www.webzweipunktnull.de/irgendwie-nur-leer/

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