Team Österreich: Hilfsbereitschaft zunutze machen

Wien (re.de) – Bei Katastrophen wird jede Hand gebraucht. Viele Bürger wollen helfen, obwohl sie keine klassische Qualifikation einer Hilfsorganisation besitzen. Das Österreichische Rote Kreuz (ÖRK) hat jetzt einen Weg gefunden, die spontane Hilfsbereitschaft zu nutzen – mit dem „Team Österreich“.
Herr Foitik, wie kamen Sie darauf, das „Team Österreich“ zu gründen?

  
Gerry Foitik: Das Team Österreich ist nicht aus einer Not entstanden. Unsere strategischen Analysen der Katastrophen haben deutlich gemacht, dass es immer mehr spontane Hilfsbereite gibt. Ein Grund dafür ist sicher auch die zunehmend emotionale Berichterstattung in den Medien.

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Was meinen Sie mit „spontan Hilfsbereiten“?

 
Gerry Foitik: Bislang wurden nur ausgebildete Hilfskräfte eingesetzt. Das „Team Österreich“ schließt nun die Lücke zwischen den Spenden der Bevölkerung und der permanenten, aktiven Mitarbeit in den Hilfsorganisationen und den freiwilligen Feuerwehren. Und die Aktion „Team Österreich“ ist ein guter Weg, an die Hilfsbereiten zu kommen.

 
Wie viele Registrierungen gibt es denn schon?

 
Gerry Foitik: Wir sind Ende August gestartet und haben Ende September rund 22.000 Eintragungen gezählt.

 
Wie geht es nach der Registrierung weiter? 

 
Gerry Foitik: Die Mitglieder bekommen eine Einführung in das System der Katastrophenhilfe, damit sie die Strukturen im Einsatz verstehen. Diese Kurse finden in den regionalen Stellen des Roten Kreuzes statt. Danach sind sie einsatzbereit.

 
Kommen denn alle Eingeladenen zu den Kursen?

 
Gerry Foitik: Wir rechnen damit, dass etwa 80 Prozent der registrierten Interessenten kommen und davon wiederum 30 bis 50 Prozent bei den Einsätzen zur Verfügung stehen.

 
Ist das dann schon ein voller Erfolg für Sie?

 
Gerry Foitik: Ja! Der Erfolg ist, wenn wir noch besser die Bedürfnisse der Betroffenen erfüllen können – und das schaffen wir mit dieser zusätzlichen Manpower.

 
Das Österreichische Rote Kreuz hat etwa 50.000 Mitglieder. Wozu braucht es dann das „Team Österreich“?

 
Gerry Foitik: Sie müssen berücksichtigen, dass sich Katastrophen über Wochen hinziehen können. Aber auch gerade am Anfang gibt es einen Spitzenbedarf, den wir nun noch besser abdecken können. Denken Sie beispielsweise daran, dass nach einem Hochwasser der Schlamm schnell weggeschaufelt und abtransportiert werden muss, ehe er hart wird. Früher mussten wir die spontan Hilfsbereiten wegschicken, weil sie in keiner Organisation waren. Ab jetzt werden sie eine wertvolle Entlastung sein. Denn mit den freiwilligen Mitarbeitern müssen wir – mit Ausnahme Wien – den Rettungsdienst aufrecht halten.

 
Wie wollen Sie denn die neuen Helfer einsetzen?

 
Gerry Foitik: Bei einer Hochwasserkatastrophe werden sie beim Bau von Dämmen eingesetzt. Das kann beispielsweise bei einer Evakuierung eines Ortes oder einer Stadt der Fall sein. Besonders wichtig ist aber, dass die Helfer die Betroffenen direkt betreuen und unterstützen können. Das ist dann eine organisierte Nachbarschaftshilfe für die Betreuung der Kinder, die Unterstützung bei der Schadensbeseitigung, beim Einkaufen und vieles mehr. Dafür sind keine ausgebildeten Sanitäter notwendig. Die Kinderbetreuung leistet eine Kindergärtnerin ohnehin besser.

 
Sie setzen die Helfer also sehr gezielt ein?

 
Gerry Foitik: Richtig, denn in der Datenbank erfassen wir bereits, welche Qualifikationen die Helfer mitbrin-gen. Dadurch können etwa Handwerker und Pädagogen bestmöglich eingesetzt werden.

 
Wann greifen Sie denn auf das Team Österreich zurück?

 
Gerry Foitik: Es gibt natürlich eine Schwelle für die Einsatznotwendigkeit. Vor allem bei Großschadenser-eignissen und großflächigen Katastrophen werden wir auf die Helfer zurückgreifen. Aber auch bei der Fußball-Europameisterschaft 2008 wollen wir die Hilfsbereiten einsetzen.

 
Was ist mit „kleinen“ Katastrophen in einer Region?

 
Gerry Foitik: Die Datenbank funktioniert nach dem Subsidiaritätsprinzip. Das heißt, jede Regionalstelle hat Zugriff auf die Registrierungen in ihrer Region. Die Betreuung der Helfer im Bedarfsfall erfolgt ohnehin regional. Außerdem werden wir die Helfer nicht durch das gesamte Bundesgebiet zu Einsätzen transportieren.

 
Wer kann denn eigentlich noch auf die Freiwilligen zurückgreifen?

 
Gerry Foitik: Im Prinzip alle Helfer nach dem Katastrophenhilfsdienstgesetz, also auch alle anderen Hilfsorganisationen und die freiwilligen Feuerwehren. Sie müssen sich im Bedarfsfall nur an die regionale RK-Dienststelle wenden.

 
Muss jeder einrücken, wenn er erst einmal registriert ist?

 
Gerry Foitik: Nein, die Anmeldung ist unverbindlich. Nach der Alarmierung mittels SMS entscheidet jeder selbst, ob er spontan mithelfen kann und will.

 
Wie geht es nach der Alarmierung weiter?

 
Gerry Foitik: Die Helfer erfahren mit der SMS, wann sie bei ihrer zuständigen Regionalstelle für das Briefing eintreffen sollen. Außerdem steht in der Nachricht bzw. nachfolgenden E-Mail, was der Helfer für den Einsatz mitbringen soll, also zum Beispiel Regenschutz, Schlafsack oder Decke. 

 
Sind die Helfer im Einsatz versichert?

 
Gerry Foitik: Ja, dafür werden sie in der Regionalstelle für die Dauer des Einsatzes als Mitglieder des Roten Kreuzes aufgenommen. Nach dem Briefing und der Aufnahme werden die Helfer dem zuständigen Kommandanten für die jeweilige Aufgabe unterstellt.

 
Wie sieht es mit einem Entgelt aus?

 
Gerry Foitik: Die Mitarbeit ist unentgeltlich. Dafür besteht aber auch keine Einsatzpflicht, sondern absolute Freiwilligkeit. Natürlich werden die Helfer vor Ort betreut, verpflegt und gegebenenfalls untergebracht. Dafür sorgen die regionalen Einsatzleiter, die das „Team Österreich“ angefordert haben.

 
Mit welcher Zeitspanne rechnen Sie zwischen Alarmierung und tatsächlicher Einsatzbereitschaft?

 
Gerry Foitik: Wir gehen von 12 bis 24 Stunden aus. Das gilt natürlich nicht für geplante Einsätze wie bei der Euro 2008.

 
Wie kam es zur Zusammenarbeit mit dem Radiosender Ö3?

 
Gerry Foitik: Wir haben mit dem Hitradio Ö3 eine langjährige, gute Partnerschaft, in der jeder Partner seine Stärken einbringt. Ö3 wird in ganz Österreich empfangen und hat mit Abstand die beste Reichweite. Radio ist das beste Medium, weil der Impact unmittelbarer ist. TV-Spots wären nicht so effektiv gewesen, obwohl sie im Hintergrund sicher für die Stimmungsmache sehr gut waren.

Mit Gerry Foitik sprach Alexander Endlweber

Fotos: ÖRK

 

Zur Person: Gerry Foitik (37) ist seit 20 Jahren in vielen Funktionen beim Österreichischen Roten Kreuz tätig. Seit 2002 ist er Mitglied im Bundesrettungskommando und seit Januar 2007 Bundesrettungskommandant.

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