ERC: Neue Guidelines für die Reanimation

ERC-Guidelines-2015Köln (rd_de) – Für die Versorgung von Patienten mit Kreislaufstillstand gibt es seit heute (15.10.2015) neue Leitlinien zur kardiopulmonalen Reanimation. Sie wurden vom European Resuscitation Council (ERC) erstellt und sind auch in deutscher Sprache erhältlich. Während zentrale Aussagen zur Durchführung einer Reanimation im Wesentlichen beibehalten wurden, haben sich im Vergleich zu den Leitlinien aus dem Jahr 2010 viele Bewertungen und Details geändert.

Die englische Originalfassung der neuen europäischen Leitlinien zur Wiederbelebung stellt das ERC auf seiner Homepage zur Verfügung. Die deutsche Übersetzung können Sie auf der Homepage des Deutschen Rates für Wiederbelebung (German Resuscitation Council, GRC) bestellen bzw. herunterladen.

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Der entscheidende Weg zu größerem Erfolg und zu mehr Überleben führe über mehr ausgebildete Ersthelfer, intelligente Alarmierungssysteme und eine deutliche Zunahme der Laienreanimation, teilte der ERC mit. Großer Wert werde auf die Telefonreanimation – also die Möglichkeiten des Leitstellendisponenten für Diagnose und Ersthelferreanimation – gelegt. Ein besonderes Projekt sei auch die Schülerausbildung, für die der Deutsche Rat für Wiederbelebung (GRC) ein Konzept erstellt habe. Die deutsche Übersetzung kann auf der Homepage des GRC bestellt bzw. heruntergeladen werden.

In Deutschland sind der plötzliche Herztod und der Kreislaufstillstand anderer Ursache für mehr als 100.000 unerwartete Todesfälle pro Jahr verantwortlich. Es handelt sich somit um die dritthäufigste Todesursache, nach bösartigen Neuerkrankungen und Herzkreislauferkrankungen anderer Ursache.

„Ein Zustand, der deutlich verbessert werden könnte“, zeigt sich Professor Dr. Bernd W. Böttiger, Vorsitzender des an der Übersetzung der Leitlinien beteiligten GRC, überzeugt. Die aktuellen Leitlinien zur Reanimation brächten wichtige neue Impulse und zeigten den Weg.

Herzdruckmassage bleibt Handarbeit

Thoraxkompressionsgeraet-Lucas-Physio Control
Reanimationshilfe für Thoraxkompressionen. Foto: Physio Control

So wird bei der Thoraxkompression weiterhin auf „Handarbeit“ gesetzt: „Eine manuelle Reanimation ist mindestens genauso effektiv wie die Verwendung mechanischer Reanimationshilfen“, erläutert Professor Dr. Böttiger. „In einigen Studien fand sich sogar ein schlechteres neurologisches Ergebnis bei Verwendung mechanischer Systeme“, so der Experte weiter. Der Einsatz von Reanimationshilfen führe unvermeidlich zu einer gewissen Unterbrechung der Thoraxkompressionen, die so kurz wie möglich sein müssten. Die neuen Leitlinien empfehlen daher den Einsatz solcher Geräte in besonderen Situationen, wie bei Reanimationen während eines Transportes, bei sehr langer Reanimationsdauer und im Herzkatheterlabor.

Zur Reanimation bei Kreislaufstillstand empfehlen die Experten eine Drucktiefe von 5 – 6 cm. Die Frequenz sollte bei 100 – 120 pro Minute liegen. „Pausen von über zehn Sekunden führen zu einer Verschlechterung der Prognose des Patienten und müssen daher vermieden werden“, erklärt Dr. Dr. Burkhard Dirks, Altvorsitzender des GRC.

Adrenalin wird weiterhin empfohlen. Experten sollen eine Intubation vornehmen – wenn möglich, ohne dabei die Herzdruckmassage zu unterbrechen. Als Alternativen gelten supraglottische Atemwegshilfen. Die Kapnographie sei obligat.

Innerklinisch sollten Notfallteams etabliert werden, die bei definierten Zuständen alarmiert würden und so einen Kreislaufstillstand verhindern könnten. Mögliche reversible Ursachen eines Kreislaufstilstandes müssten immer mit bedacht werden.

Cardiac Arrest Center

Nach prähospitalem Kreislaufstillstand seien die Überlebenschancen höher, wenn die Patienten – im Einzelfall sogar unter laufender Reanimation – in spezielle Zentren (Cardiac Arrest Center), gebracht würden, konstatiert der ERC. Die Cardiac Arrest Center wiesen eine höhere Fallzahl auf und besäßen eine Möglichkeit zur akuten Koronarintervention. Mehr als jeder zweite Kreislaufstillstand sei die Folge eines Herzinfarkts. Würden die für den Infarkt verantwortlichen Koronarien innerhalb von maximal zwei Stunden dilatiert, verbessere dies deutlich die Prognose.

Die neuen Leitlinien enthalten auch eine Empfehlung für das Temperaturmanagement: Nach Kreislaufstillstand bewusstlose Patienten sollten unabhängig vom initialen Herzrhythmus für mindestens 24 Stunden auf 33 – 36 Grad Celsius gekühlt werden. Fieber müsse ebenso wie eine Hyperoxie in jedem Fall für 72 Stunden vermieden werden. Eine Prognostizierung erscheine, so die neuen Handlungsempfehlungen, frühestens nach 72 Stunden sinnvoll.

Telefonreanimation durch Leitstelle

Was passiert wenn die Technik streikt? Symbolfoto: Patzelt
Leitstellendisponenten sollten Laien am Telefon in Herzdruckmassage instruieren. Symbolfoto: Christian Patzelt

Leitstellendisponenten sollten Laien am Telefon in Herzdruckmassage instruieren. „Dies ist extrem effektiv – man muss es siebenmal machen, um ein Leben zusätzlich zu retten“, erklärt Professor Dr. Karl Heinrich Scholz, stellvertretender Vorsitzender des GRC. In Deutschland werde die Telefonreanimation von immer mehr Leitstellen durchgeführt. In Bayern sei sie bereits landesweit verpflichtend. Auch intelligente Gesamtsysteme, in denen Ersthelfer zum Beispiel über Handy gleichzeitig mit dem Rettungsdienst alarmiert würden, könnten Vorteile bringen.

In 50 – 70 Prozent der Fälle beobachteten Laien einen Kreislaufstillstand und seien Zeugen, denn meist passierten Kreislaufstillstände zu Hause. „Nach drei bis fünf Minuten fängt das Gehirn an zu sterben“, so Professor Dr. Scholz. Der Notarzt bzw. Rettungsdienst treffe meist aber erst nach acht bis zwölf Minuten ein. Der sofortige Beginn der Reanimation durch Laien könne daher entscheidend helfen. Bei Erwachsenen reichten in den ersten Minuten alleinige Thoraxkompressionen völlig aus.

Laien sollten verstärkt in Wiederbelebung ausgebildet werden, so die Empfehlungen der neuen Leitlinie. Dazu gehörten die Herzdruckmassage und die Beatmung im Verhältnis 30:2.

Besonderer Wert wird auf die Ausbildung von Schülern gelegt. Eine Doppelstunde pro Jahr ab der 7. Klasse sei ausreichend. Die Schüler könnten von speziell ausgebildeten Lehrern unterrichtet werden. Entsprechende Empfehlungen würden von der Kultusministerkonferenz 2014 und seit diesem Jahr auch von der Weltgesundheitsorganisation (WHO) unterstützt. Ein Ausbildungskonzept komme vom GRC.

„Gemeinsam 10.000 Leben zusätzlich pro Jahr in Deutschland retten“, lautet das interdisziplinär und interprofessionell formulierte Ziel, das durch die Umsetzung der Empfehlungen der neuen Leitlinien erreicht werden könne.

(15.10.2015; Symbolfoto: Markus Brändli)

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